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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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von Welt entwickelt, sprach fließend Französisch und Englisch und verfügte über die nötigen Mittel, um sich zu amüsieren, denn der schwerreiche Scheich überhäufte ihn mit Geld. Während seines letzten Pariser Jahres wurde er ständig hofiert, in einer Weise, die den meisten Leuten den Kopf verdreht hätte. Doch er sehnte sich insgeheim immer nach der Wüste. Sie war es, die ihn lockte, nicht die Zivilisation. Nur unter der heißen Sonne wollte er leben, und er vergötterte den Mann, den er für seinen Vater hielt. Der Sohn und Erbe Ahmed Ben Hassans zu sein - darin sah er das höchste Ziel, das ein Mann erreichen konnte. Die Schmeicheleien und Aufmerksamkeiten, die seinem Reichtum und seinem guten Aussehen galten, bedeuteten ihm nichts. Auf den häufigen Bällen, die mein Vater veranstaltete, stand Ahmed stets im Mittelpunkt - ‹le bel Arabe› wurde er genannt, und er genoß einen succès fou , der ihn gräßlich langweilte.
Am Ende des Jahres bat er den Scheich schriftlich um die Erlaubnis, heimkehren zu dürfen, schüttelte den Pariser Staub von seinen Schuhen und fuhr in die Wüste. Ich begleitete ihn. Damals stattete ich dem Lager meinen ersten Besuch ab und beobachtete zum erstenmal Ahmed en prince . Bisher hatte ich ihn nur in europäischer Kleidung gesehen. Ich wäre fast in Ohnmacht gefallen, als ich am Morgen unserer Ankunft in Oran an Deck des Schiffs ging und einem leibhaftigen Araber gegenüberstand. Die weißen Gewänder und die dadurch veränderten Gebärden hatten ihn derart verwandelt, daß ich ihn kaum wiedererkannte. Im Hafen erwarteten ihn einige seiner Männer und jubelten ihm zu. Da ihn die französischen Beamten sehr ehrerbietig behandelten, erriet ich, welch großen Respekt der Scheich genoß. Den restlichen Tag verbrachten wir in Oran, wo Ahmed den Weitertransport seines beträchtlichen Gepäcks mittels einer Kamelkarawane arrangierte und einige Geschäfte für den Scheich erledigte. Abends wurden wir in eine Villa am Stadtrand eingeladen. Sie gehörte einem alten Araber, der uns großzügig bewirtete und Ahmed herzlich gratulierte, weil dieser den Klauen der widerwärtigen Franzosen entronnen war. Als Ahmed ihn auf die Anwesenheit eines widerwärtigen Franzosen hinwies, zeigte sich der alte Mann kein bißchen verlegen und winkte lässig ab. Diese Geste sollte wohl besagen, daß meine Nationalität nicht mein Fehler, sondern mein Pech sei. Danach versuchte er Ahmed einzureden, er müsse sofort eine oder zwei Frauen heiraten und zum
Wohle seines Stamms eine Familie gründen. Unterdessen tranken wir Kaffee, lauschten der eintönigen orientalischen Musik und beobachteten wilde Tänze. Der alte Araber forderte Ahmed auf, die hübscheste Tänzerin zu kaufen, und mein Freund begann mit ihm zu feilschen - nur zum Spaß, nicht aus tatsächlichem Interesse. Wahrscheinlich wollte er nur sehen, wie ich dieses Theater aufnehmen würde. Doch ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch. Von der eigenartigen Atmosphäre wurde mir schwindlig, und ich flüchtete in mein Bett, während er immer noch um den Preis verhandelte.
Am nächsten Morgen brachen wir zeitig auf. Ein paar Meilen außerhalb der Stadt erwartete uns eine große Abordnung seiner Anhänger. Nun wiederholte sich die überschwengliche Begrüßung, die ich bereits am Vortag im Hafen miterlebt hatte, und seine Leute überschlugen sich förmlich vor Freude. Für mich war das eine völlig neue Erfahrung, und ich kann kaum beschreiben, was ich inmitten dieser johlenden Horde empfand, die wie verrückt herumgaloppierte und ihre Gewehre abfeuerte, bis ich fürchtete, ein Unfall würde sich kaum vermeiden lassen. Am stärksten beeindruckte mich Ahmeds Haltung. In stoischer Ruhe ließ er das Spektakel über sich ergehen, das ihm zustand. Sobald er genug davon hatte, hob er gebieterisch eine Hand, um dem wilden Treiben ein Ende zu setzen, und der Befehl wurde sofort befolgt. Grinsend wandte er sich zu mir um und entschuldigte sich für den Übermut seiner ‹Kinder›. Ich stand vor einem neuen Ahmed. Der Junge, den ich seit vier Jahren kannte, hatte sich plötzlich in einen Mann verwandelt, so daß ich mich wie ein Knabe fühlte. In Frankreich hatte ich naturgemäß den älteren Bruder gespielt, aber hier befand sich Ahmed auf seinem eigenen Terrain, und die Rollen wurden vertauscht. Bei der Ankunft im Lager empfing mich eine Szenerie, die jeden Bühnenregisseur entzückt hätte. Obwohl mein Vater und Ahmed mir einiges erzählt hatten, war ich

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