Der Scheich
nicht auf den verschwenderischen Glanz vorbereitet, mit dem sich der Scheich umgab. In den orientalischen Luxus mischten sich zahlreiche europäische Errungenschaften, die ein komfortables Lagerleben ermöglichten.
Gerührt beobachtete ich, wie freudig sich Ahmed und der Scheich begrüßten. Ich verbrachte eine wunderbare Zeit im Camp und reiste nur widerstrebend ab. Damals fesselte mich der Reiz der Wüste und ließ mich nie wieder los. Aber ich mußte nach Paris zurückkehren, um mein Medizinstudium zu beenden. Wehmütig ließ ich Ahmed in seiner angestammten Welt zurück, wo er glücklicher war, als ich ihn jemals in Paris gesehen hatte. In jenem Jahr war er neunzehn.
Nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag mußte mein Vater das unangenehme Versprechen erfüllen, das ihm Lady Glencarryl auf ihrem Totenbett abgenommen hatte. Er schrieb an Lord Glencarryl und bat ihn, in einer Angelegenheit, die seine verstorbene Frau betraf, nach Paris zu kommen. In einem schmerzlichen Gespräch erzählte er dem Earl die ganze Geschichte. Der Brief, den die arme Frau ihrem Mann geschrieben hatte, der Ehering und das Medaillon, zusammen mit den Porträts, die mein Vater angefertigt hatte, ließen keinen Zweifel an der Wahrheit. Schließlich brach Glencarryl zusammen. Er gab zu, seine Gemahlin habe ihn mit gutem Grund verlassen, und unternahm keinen Versuch, sein Verhalten zu entschuldigen. Offen und ehrlich bekannte er sich zu der Sucht, deren Sklave er gewesen war und die es ihm unmöglich gemacht hatte, verantwortlich zu handeln. Was in jener schrecklichen Nacht geschehen war, wußte er nicht. Aber die Tragödie um seine verschwundene Frau heilte ihn von der Trunksucht. Er tat sein Bestes, um sie zu finden, und es dauerte viele Jahre, bis er die letzte Hoffnung aufgab. In bitterer Verzweiflung trauerte er um seine Gattin und ehrte ihr Andenken. Es war unmöglich, ihn nicht zu bemitleiden, denn er hatte für seine Schwäche mit einem unermeßlichen Leid bezahlt, wie es nur wenige Menschen erdulden müssen. Daß er Vater eines Sohnes war, überwältigte ihn beinahe. Inständig hatte er sich einen Erben gewünscht, der eines Tages seinen stolzen Namen tragen sollte, und der Gedanke, kinderlos zu sterben, war qualvoll gewesen. Das Wissen um Ahmeds Existenz beglückte ihn, und es bewegte mich zutiefst, seine Freude mit anzusehen. Natürlich konnte er die Ankunft seines Sohnes kaum erwarten.
Bis jetzt war Ahmed nicht eingeweiht worden. Denn mein Vater befürchtete, den Earl nicht überzeugen zu können und dadurch die Sache zu komplizieren. Aber da Lord Glencarryl seine Vaterschaft begeistert anerkannte, erübrigte sich eine weitere Verzögerung, und wir bestellten Ahmed nach Paris. Der alte Scheich ließ ihn im ungewissen. Seit Jahren fürchtete er den Zeitpunkt, da der Adoptivsohn von seiner wahren Herkunft erfahren sollte. Er glaubte, er würde Ahmed verlieren, es widerstrebte ihm, die Liebe des Jungen mit dem leiblichen Vater zu teilen. Außerdem wollte er nicht, daß ein anderer Anspruch auf Ahmed erhob. Und deshalb ließ es der Scheich nur dieses eine Mal an Mut fehlen. Er schickte Ahmed ahnungslos nach Paris und überließ es meinem Vater, ihm alles zu erklären. Jenen Tag werde ich nie vergessen. Es war vereinbart worden, Ahmed solle zuerst die Wahrheit erfahren und danach seinen Vater treffen. Am Morgen frühstückten wir gemeinsam, dann gingen wir ins Arbeitszimmer meines Vaters, der ihm so behutsam wie möglich die ganze Geschichte erzählte. Ahmed stand am Fenster, sagte kein einziges Wort, und als mein Vater innehielt, schwieg mein Freund immer noch. Sein Gesicht war unter der Sonnenbräune aschfahl geworden. Reglos starrte er meinen Vater an. Und plötzlich brach sich sein wildes Temperament Bahn. Es war eine schreckliche Szene. Wütend verfluchte er seinen leiblichen Vater auf arabisch und französisch, und mein Blut drohte zu gefrieren. Er verwünschte alle Briten, meinen Vater, der es gewagt hatte, ihn nach England zu schicken, und mich, den Mitwisser. Nur einen einzigen Menschen verschonte er, den Scheich, der letzten Endes die gleiche Verantwortung trug wie wir. Aber Ahmed erwähnte ihn nicht. Er weigerte sich, seinen leiblichen Vater zu sehen, erkannte ihn nicht an, verließ Paris noch am selben Abend und kehrte in die Wüste zurück - von Gaston begleitet. Schon vor einiger Zeit war besprochen worden, der junge Mann solle nach dem Ende seiner Dienstzeit bei der Kavallerie als Kammerdiener für Ahmed arbeiten. Der
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