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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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Geschöpf mit seidigem schwarzen Haar und schönen dunklen Rehaugen. Oft genug hörte ich, wie mein Vater sie beschrieb, und ich habe sein Porträt von ihr gesehen - er war ein recht begabter Amateur. Dieses Bild hält Ahmed irgendwo unter Verschluß. Bei der Geburt starb sie beinahe, und sie kam danach nie wieder zu Kräften. Sie klagte nicht, sprach niemals von sich selbst und wirkte recht zufrieden, solange das Baby bei ihr war. In mancher Hinsicht war sie selber noch ein Kind. Offenbar fand sie ihren langen Aufenthalt im Lager des Scheichs nicht sonderbar. Sie hatte ein eigenes Zelt und Dienstboten, und die Frau des Anführers war ihr treu ergeben, ebenso wie die anderen Mitglieder des Stammes. Ihre Ankunft hatte etwas Geheimnisvolles an sich, das die abergläubischen Araber beeindruckte, und das Baby wurde geradezu vergöttert. Der Scheich, der noch nie in seinem Leben ein weibliches Wesen zweimal angeschaut hatte, lag ihr gleichsam zu Füßen. Später erzählte mir mein Vater, er habe niemanden gekannt, der so leidenschaftlich verliebt gewesen sei wie Ahmed Ben Hassan in diese Frau, die auf so seltsame Weise in sein Leben getreten war. Immer wieder flehte er sie an, ihn zu heiraten. Sogar mein Vater, der Mischehen verabscheut, bezweifelt nicht, daß sie mit Hassan glücklich geworden wäre. Aber sie wies ihn ab, ohne einen Grund zu nennen, und das Rätsel ihrer Herkunft blieb auch in den beiden Jahren ungelöst, die sie nach der Geburt ihres Sohnes noch zu leben hatte. Für den Scheich spielte ihre Weigerung keine Rolle, denn seine Liebe war grenzenlos.
Zum Zeitpunkt ihres Todes besuchte mein Vater das Lager gerade wieder. Da sie das Ende vorausahnte, erzählte sie ein paar Tage vorher ihre traurige Geschichte. Als einzige Tochter entstammte sie einer der ältesten spanischen Adelsfamilien - ebenso arm wie vornehm. Kurz nach ihrem siebzehnten Geburtstag war sie mit Lord Glencarryl verheiratet worden, den sie in Nizza kennengelernt hatte, als sie mit ihren Eltern diese Stadt bereiste. Zu dieser Ehe war sie ohne Rücksicht auf ihre eigenen Wünsche gezwungen worden, aber sie lernte ihren Mann lieben, obwohl sie ihn fürchtete. Er war sehr jähzornig, und in jenen Tagen trank er mehr, als er vertragen konnte. Unter dem Einfluß des Alkohols verwandelte er sich in einen wahren Teufel. Seine Frau, blutjung und nicht sehr weltgewandt, versäumte es oft aus reiner Nervosität, seine Wünsche zu erfüllen. Bedauerlicherweise war der Earl sehr streng und machte keinerlei Zugeständnisse an ihre Jugend und Naivität. Ihr Eheleben mußte ihr wie eine einzige Qual erschienen sein. Trotzdem liebte sie ihn. Während sie sich meinem Vater und dem Scheich anvertraute, beteuerte sie mehrmals, sie allein trage die Schuld an den Schwierigkeiten, weil sie so dumm gewesen sei. Über die Brutalität ihres Mannes ging sie hinweg.
Die ganze Wahrheit erfuhr mein Vater auch gar nicht aus ihrem Mund. Nach ihrem Tod zog er Erkundigungen ein. Offensichtlich war Lord Glencarryl mit seiner Frau nach Algerien gefahren, wo er sich zu einer Wüstenexpedition entschloß. Da er wieder einmal zu tief ins Glas geschaut hatte, wagte sie nicht, seine Pläne zu vereiteln, indem sie sich weigerte, ihn zu begleiten. Sie verschwieg ihm auch, daß ihre Niederkunft unmittelbar bevorstand. Also ritt sie mit ihm. Eines Abends ereignete sich etwas - was, wollte sie nicht verraten. Aber mein Vater sagte später, er habe niemals ein solches Entsetzen in den Augen einer Frau gelesen wie in jenem Moment, als die Spanierin diesen Teil ihrer Geschichte übersprang. Was immer auch geschehen war - sie wartete, bis alle im Camp schliefen. Dann floh sie in wilder Angst blindlings in die Wüste. Lieber wollte sie allen Gefahren trotzen als das Elend weiter ertragen. Ziellos lief sie weiter, erschrak vor jedem Geräusch und Schatten, sogar vor den funkelnden Sternen, die sie zu bewachen schienen und ihr den Weg wiesen. Schließlich hatte die Erschöpfung alle Gedanken betäubt. Sie erinnerte sich nur noch, daß sie im Zelt des Arabers zu sich gekommen war, der Ahmed Ben Hassans Truppe befehligte. Weil sie fürchtete, man würde sie zu ihrem Mann zurückbringen, wagte sie nicht, ihre Identität preiszugeben. Und nach der Geburt des Kindes hatte sie ihr Geheimnis noch entschlossener gehütet. Dem Knaben sollte das Leid erspart bleiben, das sie selbst erduldet hatte. Deshalb durfte er nicht in die Hände seines Vaters fallen, der in seiner Trunksucht immer wieder die

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