Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
hätten die Mädchen in großer Eile gepackt. Das Bettzeug lag so, als wären sie gerade erst hinausgeschlüpft. Bert befühlte die Matratzen. Kalt.
    »Herr Kommissar?«
    Bert erkannte einen Tatort auf den ersten Blick. Das hier war einer. Er hätte es nicht begründen können. Es war ein Gefühl. Gleich beim Betreten der Wohnung war es ihm kühl über Rücken und Arme gerieselt. Der Anblick der durchwühlten Wäsche in den Schubladen hatte ein Übriges getan.
    »Herr Kommissar!«
    Wer würde die Wohnung verlassen, ohne seinen Computer auszuschalten? Bert starrte auf den blau leuchtenden Knopf, der in einem der Zimmer blinkte. In solcher Eile konnte man doch gar nicht sein. Man konnte es auch kaum vergessen. Nicht wenn man im Alter von Jette und Merle war und im Umgang mit Computern geübt.
    »Herr Kommissar! Schauen Sie sich das an!«
    Seufzend warf Bert einen Blick in den Flur.
    Tilo Baumgart stand neben der Garderobe und hielt das Telefonkabel hoch.
    »Herausgerissen. Verstehen Sie das?«
    Berts Gänsehaut verstärkte sich. Er trat näher an den Computer heran und stellte fest, dass auch am Drucker ein Knopf leuchtete. Hellgrün und weniger auffällig. Der durchsichtige Deckel war geschlossen. Deshalb entdeckte Bert erst jetzt das Blatt Papier, das sich darin gestaut hatte. Vorsichtig klappte er den Deckel auf und zog das Papier heraus.
    Lieber Tilo, wir haben beschlossen, Mina von hier wegzubringen. Sie ist einem Verhör noch nicht gewachsen. Vor allem hat sie schreckliche Angst, in die Psychiatrie eingewiesen zu werden.
    Sie haben getan, was Sie konnten. Deshalb werden wir das ab jetzt allein durchziehen. Sobald Minas Erinnerung an die Morde zurückgekehrt ist, werden wir uns melden. Versprochen.
    Bitte verzeihen Sie uns!
    »Haben Sie etwas entdeckt?«
    Widerstrebend betrat Tilo Baumgart das Zimmer. Er wirkte verlegen und schuldbewusst. Wahrscheinlich war er nie zuvor mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
    »Für Sie.« Bert hielt ihm den Brief hin.
    »Für mich?«
    »Lesen Sie.« Bert stützte sich schwer auf den Schreibtisch. »Verdammt!«
    »Mein Gott! Was haben die sich bloß dabei gedacht?« Tilo Baumgart konnte den Blick nicht von dem Brief abwenden. »Mina ist doch überhaupt nicht belastbar.«
    »Mag sein, dass sie vorhatten, Mina von hier wegzubringen.« Bert nahm ihm den Brief aus der Hand. »Aber sie haben es nicht getan.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Die Mädchen sind in größter Hast aufgebrochen. Schauen Sie sich um. Die Betten nicht gemacht. Die Schränke und Schubladen offen. Computer und Drucker nicht ausgeschaltet. Und dann das herausgerissene Telefonkabel.«
    »Und was schließen Sie daraus?«
    »Bisher nur eines: Jemand muss in die Wohnung eingedrungen sein. Vielleicht sind die Mädchen vor ihm geflohen. Oder er hat sie mitgenommen.«
    Ein klägliches Maunzen. In einem der Zimmer.
    »Ich bin mir ganz sicher. Die Mädchen hätten niemals ihre Katzen unversorgt zurückgelassen.«
    »Aber die Wohnungstür war nicht aufgebrochen.«
    »Ich habe Ihnen doch demonstriert, wie leicht man sich Zugang verschaffen kann. Vielleicht haben die Mädchen den Eindringling auch hereingelassen. Weil er harmlos wirkte. Oder weil sie ihn kannten.«
    »Und der Brief?«
    »Wurde möglicherweise von dem Entführer erzwungen.«
    »Von dem … Grundgütiger!«
    Tilo Baumgart holte sein Handy hervor. Er war so nervös, dass es ihm beim Wählen fast aus der Hand fiel.
    »Wen rufen Sie an?«
    »Jettes Mutter. Sie muss … einer sollte doch …«
    »Nicht am Telefon.« Bert schob ihn zur Tür. »Fahren Sie hin. Jemand muss bei ihr sein, wenn sie es erfährt.«
     

Kapitel 21
    Das Haus sah genau so aus wie auf dem Foto, das Frau Sternberg mir gezeigt hatte. Es wirkte inzwischen allerdings ein bisschen heruntergekommen. Man merkte ihm an, dass sich seit Jahren niemand darum gekümmert hatte. Von den braunen Fensterläden blätterte die Farbe ab, auf den Dachziegeln wuchsen Flechten und Moos, und der Garten, in dem es stand, war ein Dschungel.
    »Perfekt.«
    Ben blickte sich mit zufriedener Miene um. Kein Haus, kein Hof weit und breit. Nur Wiesen, ein paar einsame Baumgruppen und endloses flaches Land.
    Frau Sternberg hatte nicht übertrieben. Die Luft roch und schmeckte nach Meer, obwohl es noch etwa zehn Kilometer entfernt sein musste. Hoch oben in der Luft zogen einige Krähen ihre Kreise. Ihr Krächzen unterbrach die Stille, die grün war und schwer.
    Ben fingerte die beiden Schlüssel aus der Hosentasche. Der eine

Weitere Kostenlose Bücher