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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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vorstellen, dass der Chef sich überhaupt freiwillig mehr bewegte, als nötig war. Er sah ihn in Gedanken über das gepflegte Grün stapfen, schwitzend und keuchend, mit hochrotem Kopf, eine Schatten spendende Kappe tief in die Stirn gezogen, und musste ein Grinsen unterdrücken.
    Sein Gegenüber nahm es als Zeichen von Freundlichkeit und lächelte.
    »Bitte.« Der Bürgermeister wies auf die Sitzgruppe am Fenster. »Was kann ich für Sie tun?«
    Bert lehnte es ab, ihn mit Herr Bürgermeister anzusprechen. Er zog es vor, ihn beim Namen zu nennen, was der Chef verschiedentlich als Mangel an Respekt beanstandet hatte. Berts Respekt vor diesem machthungrigen Mann hatte sich tatsächlich im Laufe der Zeit in Luft aufgelöst, doch das eine hatte mit dem andern nichts zu tun.
    Friedhelm Medenbach. Ein Name, der immer häufiger in den Zeitungen auftauchte, und zwar an den Stellen, an denen Politiker ihre Namen ungern gedruckt sehen, nämlich unter der Rubrik »Klatsch und Tratsch«.
    »Wir ermitteln im Mordfall Dietmar Kronmeyer«, sagte Bert und wollte gerade fortfahren, als er unterbrochen wurde.
    »Und da führt Ihr erster Weg Sie zu mir?«
    Die locker zur Schau getragene Unbefangenheit konnte Bert nicht täuschen. Der Bürgermeister war in höchstem Maß alarmiert.
    »Sind Sie denn nicht … Moment.« Bert zog sein Notizbuch  aus der Tasche und blätterte absichtlich lange darin. »Sind Sie denn nicht Mitglied der Sekte …«
    Wieder wurde er unterbrochen. Der Bürgermeister schien heute keine guten Nerven zu haben. »Das ist keine Sekte.«
    Bert schenkte ihm einen erstaunten Blick. »Wer?«
    »Ach, kommen Sie!« Der Bürgermeister fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. Er geriet immer ins Gestikulieren, wenn er in die Enge getrieben wurde. »Wir wissen doch beide, wovon Sie sprechen!«
    »Nach meinen Informationen war der Tote der Kopf der …«
    »Eines religiösen Zirkels. Das ist hierzulande, soweit ich weiß, nicht strafbar.«
    »Nein. Das nicht. Mord allerdings ist ein Verbrechen.«
    Bert beobachtete mit Befriedigung, wie die Miene des Bürgermeisters sich verdüsterte. Wie schnell man den feinen Herrn auf hundertachtzig bringen konnte!
    »Sie haben mir noch nicht erklärt, warum Sie zu mir gekommen sind. Als ich heute früh mit Ihrem Chef telefoniert habe …«
    Der Bürgermeister ließ den Satz in der Luft hängen, eine unmissverständliche Drohung. Bert lehnte sich in seinem Sessel zurück. Die Situation wurde allmählich interessant.
    »Ich hätte gern ein paar Informationen«, sagte er unbeeindruckt. »Über den Toten, seine Familie, das gesamte Umfeld.«
    »Da gibt es andere, die Ihnen besser weiterhelfen können.« Der Bürgermeister schlug die Beine übereinander, eine Geste der Überlegenheit, aber das nervöse Wippen seines Fußes bekam er nicht unter Kontrolle. »Warum fragen Sie nicht Max Gaspar? Der stand dem Toten wesentlich näher als ich. Oder Ben Bischop, diesen Jungen, der bei den Kronmeyers wohnt.«
    Feigheit, notierte Bert in Gedanken. Und kein Rückgrat.  Zwei weitere Punkte auf der Liste der unangenehmen Eigenschaften dieses Mannes.
    »Wie lange sind Sie denn schon Mitglied in diesem … Zirkel?«
    Der Bürgermeister hatte die bedeutungsvolle Pause registriert. Er quittierte sie mit einem wütenden Blick. »Fünf, sechs Jahre vielleicht.«
    »Das ist eine lange Zeit. In fünf, sechs Jahren lernt man einander kennen. Sogar ziemlich gut, schätze ich. Und wenn ich mir die Namen so anschaue … Das liest sich fast wie ein Auszug aus dem Who’s who. Wäscht da nicht hin und wieder eine Hand die andere?«
    »Was wollen Sie mir unterstellen?«
    Die Stimme des Bürgermeisters war eisig geworden. Sein Körper wirkte angespannt. Der Löwe kurz vor dem Sprung, dachte Bert und tat nichts, um die Situation zu entschärfen.
    Das Telefon klingelte. Der Bürgermeister nahm ab und hörte grimmig zu.
    »Gut. Danke.«
    Als er aufgelegt hatte und sich aus dem Sessel erhob, war er wieder ganz der Alte. »Bedaure, Melzig. Termine. Ein andermal gern.«
    Bert ergriff die ausgestreckte Hand. Sie war kälter, als sie sein sollte. Und ein wenig feucht.
    An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ach, Herr Medenbach. Noch eine Frage. Wo waren Sie gestern zwischen zwölf und sechzehn Uhr?«
    Der Bürgermeister stand kurz vor einer Explosion. Mühsam beherrschte er sich. »Fragen Sie mich das allen Ernstes?«
    »Sofern gleiches Recht für alle gilt, ja.«
    Diese Bemerkung würde ihm eine Unterredung mit dem

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