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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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weh, an Caro zu denken. Und an meine große Liebe, die mich fast das Leben gekostet hätte. So, wie Ilka an ihrer ersten Liebe beinahe gestorben wäre.
    An einem Nachmittag hatten wir uns gemeinsam eine Aufzeichnung der Talkshow angeschaut, in der meine Mutter aufgetreten war.
    Mina hatte wie gebannt vor dem Fernseher gesessen. »Das also ist deine Mutter.« Nachdem sie die Bücher meiner Mutter in meinem Regal entdeckt und die ersten beiden gelesen hatte, war sie zu einem Fan geworden. »Du bist ihr überhaupt nicht ähnlich.«
    Lange Zeit hatte ich sein wollen wie meine attraktive, erfolgreiche Mutter. Heute war ich froh, nicht zu sein wie sie. Ich hatte andere Gedanken, andere Gefühle und mit meinem Leben etwas ganz anderes vor, wenn ich auch noch nicht wusste, was.
    Es war eigenartig, den Kommissar wieder zu sehen, der mir zweimal das Leben gerettet hatte. Wir hatten auf unterschiedlichen Seiten gestanden, aber im richtigen Moment war er zur Stelle gewesen. Dafür würde ich ihm ewig dankbar sein.
    »Er sucht nach mir«, sagte Mina.
    »Der Kommissar?«, fragte Merle leichthin. »Warum sollte er?«
    Mina senkte den Kopf. Ihre Augenlider flatterten. Als sie sich wieder aufrichtete, wusste ich, dass Cleo gekommen war.
    »Weil es logisch ist. Unser Verschwinden hat uns verdächtig gemacht.«
    Anfangs hatte es Merle und mich verwirrt, wenn Mina von sich selbst im Plural sprach. Gewöhnt hatten wir uns noch immer nicht daran. Sie tat es nur dann und wann, vielleicht, weil nicht alle Persönlichkeiten bereit waren, sich als Teil eines Ganzen zu betrachten.
    »Der Vater ist ermordet worden und die Tochter ist nicht auffindbar. Klar, dass die Polizei versuchen muss, sie herbeizuschaffen.«
    Cleo ließ sich vom Sofa auf den Boden gleiten und nahm den Lotus-Sitz ein. Aufrecht und konzentriert verfolgte sie das Gespräch der Talkrunde.
    »Findest du das so spannend?«, fragte Merle, die anfing, sich zu langweilen.
    »Man muss seine Gegner studieren.« Cleo ließ den Bildschirm nicht aus den Augen. »Nur dann wird man mit ihnen fertig.«
    »Ich glaube nicht, dass der Kommissar dein Gegner ist«, sagte ich vorsichtig. »Er versucht doch bloß, die Wahrheit herauszufinden.«
    »Er ist ein Bulle. Oder etwa nicht?« Cleos Ton war scharf  geworden und duldete keinen Widerspruch. »Aber ich bin ihm gewachsen.«
    Ich hatte keine Lust mehr auf die Talkshow, stand auf und ging in mein Zimmer. Ich setzte mich auf das Bett und sah zum Fenster. Und hoffte inständig, ich würde mich niemals mit Cleo anlegen müssen.
     
    Bert hatte Brote und Obst ins Büro mitgenommen, doch gegen Mittag überfiel ihn der Heißhunger auf etwas Warmes. Etwas Gutes, das er in der Kantine nicht bekommen würde. Er beschloss, bei Marcello zu essen.
    Der zwanzigminütige Fußmarsch brachte ihm all die Muskeln in Erinnerung, die er längst vergessen hatte. Er ließ ihn schnaufen wie einen alten Mann. Irgendwo im Keller gammelte sein Fahrrad vor sich hin. Gleich am Abend würde er es sich vornehmen, um es wieder flottzumachen.
    Die Pizzeria erstrahlte seit ihrer Renovierung in neuem Glanz. Marcello und seine Familie hatten ganze Arbeit geleistet. Auch der Hof war kaum wiederzuerkennen. Er war gepflastert und mit neuen Möbeln bestückt worden. Vier große gelbe Sonnenschirme spannten sich über den Holztischen. An der weiß getünchten Mauer leuchteten die roten Köpfe einer Kletterrose. Die Blüten der Klematis waren bereits vergangen.
    Das spätsommerliche Licht lag träge und schwer auf den Steinen und ließ das Fell der schwanzlosen weißen Katze, die zum Haus gehörte, geheimnisvoll schimmern. Zum ersten Mal musste Bert bei ihrem Anblick nicht an Totenkatzen denken.
    »Aaah! Commissario! Welche Freude!«
    Marcello kam mit weit geöffneten Armen an seinen Tisch. Dann erblickte er die Katze und verscheuchte sie. Bevor sie  über die Mauer floh, drehte sie sich nach Bert um. Als gäbe es zwischen ihm und ihr etwas wie … Verwandtschaft.
    »Nein. Ich bitte Sie.« Bert hätte sie am liebsten zurückgerufen. »Sie stört doch niemanden.«
    »Sie nicht, Commissario.« Marcello schaute sich verschwörerisch um. »Aber andere Gäste vielleicht.«
    Bert vermied es, eine Diskussion anzufangen. Er nahm die Speisekarte entgegen und vertiefte sich in die Lektüre, obwohl er wusste, dass er bestellen würde, was er immer bestellte: Lasagne und eine Flasche Wasser.
    Marcello hatte offenbar ein schlechtes Gewissen. Er glaubte wohl, Bert verärgert zu haben. Während er

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