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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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war eingeweiht. Er glaubte, dass es möglicherweise Clarissa war, die ins Bett machte. Sie war schon eine ganze Weile nicht mehr hervorgekommen. Die Katzen hatten ihr Angst gemacht. Sie hatten sie regelrecht in Panik versetzt.
    Katzen waren der Schlüssel zu irgendwas. Da war Mina sich sicher. Aber sie war noch weit davon entfernt, das Schloss zu finden, in das der Schlüssel passte. Ebenso weit war sie von der Antwort auf die wichtigste Frage entfernt: Hatte sie den Vater ermordet?
    »Du brauchst Zeit«, hatte Tilo gesagt. Dabei wussten sie doch beide, dass gerade Zeit das war, was ihr fehlte. Mina musste sich erinnern. Unbedingt.
    Und dann? Wenn herauskäme, dass sie den Vater getötet hatte?
    »Du hast es nicht getan.« Tilo hatte ihr Kinn angehoben und sie gezwungen, ihn anzuschauen. »Hörst du, Mina? Du hast es nicht getan.«
    Sie hätte ihm so gern geglaubt. Aber woher wollte er denn  wissen, ob unter den Persönlichkeiten, die sie noch nicht kannten, nicht doch eine Mörderin war? Oder ein Mörder? So voller Wut, dass selbst der Vater nicht vor ihr sicher gewesen war?
    Und was war mit Jette und Merle? Mit Tilo? Wie groß war die Gefahr, in der sie lebten, hier, so eng mit ihr zusammen? Mina spürte Übelkeit in sich aufsteigen und lief ins Bad. Unter schmerzhaftem Würgen übergab sie sich in die Toilette. Dann sank sie schweißgebadet und schlotternd auf dem kalten Fliesenboden zusammen. Sie hatte Angst vor sich selbst.
     

Kapitel 12
    Meine Mutter hatte Merle und mich zum Kaffeetrinken eingeladen. »Es gibt Pflaumenkuchen«, hatte sie gesagt. Der Pflaumenkuchen meiner Mutter war eine Sensation. Außerdem würde meine Großmutter da sein. Ich hatte sie schon viel zu lange nicht mehr gesehen.
    Auch Merle freute sich auf das Treffen. Sie war gern mit meiner Mutter und noch lieber mit meiner Großmutter zusammen und hätte ihre eigene Familie ohne Skrupel gegen die beiden eingetauscht.
    Unterwegs fing der Wagen an zu stottern. Das hatte er schon ein paarmal getan, aber noch nie so schlimm wie heute. Wir kamen kaum noch vom Fleck. Ich fuhr rechts ran und machte die Motorhaube auf. Der Motor sah aus wie immer, schmutzig und alt, und selbst wenn irgendetwas anders gewesen wäre als sonst, hätte ich es nicht erkannt.
    »Ich dachte, du verstehst nichts von Autos.« Merle betrachtete das Innenleben meines Renaults mit skeptischem Blick.
    »Tu ich auch nicht.« Ich berührte das eine oder andere Teil flüchtig mit den Fingerspitzen. Sofort waren sie schwarz und stanken nach Autowerkstatt.
    »Und warum guckst du dann rein?«
    »Instinktiv.« Ich spreizte meine beschmutzte Hand in der Luft, damit ich meine Klamotten nicht beschmierte. »Jeder Autofahrer tut das.«
    »Ich nicht. Interessiert mich nicht die Bohne, wie Autos und Computer aufgebaut sind. Hauptsache, sie funktionieren.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann gehören sie in die Werkstatt.«
    Ich schaute mich um. Landstraße. Wiesen. Felder. Weit und breit nichts, was einer Werkstatt auch nur ansatzweise ähnlich gewesen wäre. Aus reinem Trotz schlug ich die Motorhaube zu und versuchte, den Motor zu starten. Wie durch ein Wunder begann er zu schnurren. Kein Stottern mehr und kein Bocken. Ohne weitere Zwischenfälle kamen wir an der Mühle an.
    Der Charade meiner Großmutter stand schon da, nachlässig und schief abgestellt wie immer. Am Rückspiegel hing ein Tropfen aus geschliffenem Glas, in dem sich bunt das Licht brach.
    »Esoterik?«, fragte Merle. »Jetzt noch? In ihrem Alter?«
    Dabei wusste sie, dass das Wort »Alter« im Fall meiner Großmutter neu definiert werden musste. Mit ihren sechsundsiebzig Jahren besuchte sie noch Kurse für Standardtänze. Sie lernte Russisch und Yoga. Und vor Kurzem hatte sie angefangen zu malen.
    »Esoterik ist doch keine Frage des Alters«, sagte ich.
    Merle ging nicht darauf ein. »Obwohl das eigentlich nicht zu ihr passt.« Sie betrachtete den Kristalltropfen interessiert. Er warf ein Regenbogenmuster auf ihre Wange. »Sie ist doch so realistisch und geradeheraus.«
    Oh ja. Vor allem meiner Mutter gegenüber, die sich vor ihrem Zynismus oft nicht retten konnte. Zu mir war sie anders. Sie hätte mich niemals verletzt.
    »Feng Shui! Yin und Yang! Schon mal davon gehört?« Meine Großmutter stand in der Tür, lachend, voller Vorfreude. »Gleicht das Raumklima aus.«
    Ich umarmte sie, spürte ihre weiche Wange an meiner, atmete den Duft ihres Parfüms ein, seit meiner Kindheit derselbe: Chanel, so vertraut, dass ich ihn

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