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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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der Kittel über, die aus hygienischen Gründen in der Küche getragen werden mussten. »Kommt nicht wieder vor.«
    »Es ist ja nicht so, als müsste ich mich über einen Mangel an Arbeit beklagen.« Frau Stein hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Sie sah quadratisch, kompakt und ein bisschen gefährlich aus. In solchen Situationen rief ich mir in Erinnerung, wie sehr sie sich für die Heimbewohner einsetzte und wie kreativ sie mit den Bedürfnissen der Demenzkranken umging.
    Erst neulich hatte sie den amtlichen Betreuer einer Bewohnerin zusammengestaucht, weil er sich zu selten bei der alten Dame blicken ließ und das Beschaffen von dringend benötigter Unterwäsche für Zeitvergeudung hielt. Und seit ein paar Wochen stand unter der riesigen Weide im Garten ein in die Jahre gekommener Opel Astra, eigens für die Autonarren unter den Bewohnern angeschafft.
    Der Wagen hatte keine Nummernschilder und es gab keinen Zündschlüssel, doch die Männer bemerkten das nicht. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, den Lack zu polieren, die Polster zu bürsten, Fachsimpeleien nachzuhängen und die Frage zu diskutieren, wer denn bei dem ersten Ausflug (der niemals stattfinden würde) ans Steuer dürfe.
    Ich schnappte mir einen Lappen, ließ heißes Wasser in einen Putzeimer laufen und machte mich über die Tische im  Speisesaal her. Frau Stein reagierte ihren Ärger noch eine Weile an der Küche ab, dann hatte sie Ordnung geschaffen und verschwand in ihrem Büro.
    Meine Gedanken kehrten immer wieder zu Mina zurück. Tilos Hoffnung, die Therapie könne Licht in das Dunkel um den Mord an ihrem Vater bringen, hätte sich erfüllen können. Eine von Minas Persönlichkeiten hätte sich vielleicht daran erinnert, wie sie in die Wohnung in der alten Fabrik gelangt war.
    Eine der Persönlichkeiten hatte die Tat womöglich sogar beobachtet! Und kannte den Täter!
    Ich hatte mir so gewünscht, dass Minas Unschuld an den Tag gekommen wäre! Und dann war der zweite Mord passiert. Und Mina wusste wieder nicht, was geschehen war. Sie stand noch immer unter Schock.
    »Könnte man Mina nicht hypnotisieren und sie so an die Erinnerung heranführen?«, hatte Merle Tilo nach der letzten Sitzung gefragt.
    »Das wäre zu gefährlich«, hatte Tilo geantwortet. »Gerade in Minas Fall würde ich ein solches Experiment nur in Zusammenarbeit mit einem Kollegen wagen, der langjährige Erfahrung mit Hypnose hat und Experte für dissoziative Identitätsstörung ist.«
    Es war zum Heulen. Möglicherweise war Mina inzwischen die Hauptverdächtige der Polizei. Und obwohl sie den Schlüssel zur Aufklärung der beiden Mordfälle in sich trug, konnte sie sich nicht entlasten.
    Wir mussten also selbst nach dem Mörder suchen.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn bei den Wahren Anbetern Gottes finden würden, war groß. Ich beschloss, vor dem Heimweg einen Abstecher zu Minas Mutter zu machen. Irgendwo mussten wir anfangen, und das möglichst rasch.
     
    Ben wusste, dass Mina unter extremen Stimmungsschwankungen litt, aber so hatte er sie noch nicht erlebt. Nicht nur ihr Verhalten war ihm fremd, sie sah auch anders aus. Ihr Gesicht wirkte schmaler als noch vor ein paar Minuten, ihre Lippen hatten alle Farbe verloren, die Hände, die eben noch mit dem Kaffeelöffel gespielt hatten, lagen nun zu Fäusten geballt auf dem Tisch.
    Sie saß kerzengerade auf dem Stuhl, sämtliche Muskeln angespannt. Ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Nur in ihren Augen zeigte sich eine Regung. Sie waren voller Zorn.
    Ben versuchte, sich gegen das, was kommen würde, zu wappnen. Aber es gelang ihm nicht. Ihre Worte trafen ihn mit voller Wucht.
    »Du? Liebst? Mich?«
    Sie schoss die Worte ab wie Pfeile. Jedes einzeln. Sie zielte genau.
    Und dann lachte sie.
    Ben starrte sie an. »Ja.« Sein Gehirn weigerte sich zu begreifen. »Ich liebe dich.«
    Abrupt hörte sie auf zu lachen. »So. Du liebst mich.«
    Das Mädchen, diese Merle, hatte die Zeitung weggelegt. Ben hatte ohnehin nicht daran geglaubt, dass sie darin gelesen hatte. Die Luft war auf einmal stickig geworden. Er spürte ein Kribbeln in den Händen, als würden sie im nächsten Moment taub.
    »Cleo …«, sagte Merle besänftigend.
    Cleo?
    Ben hatte das Gefühl, in einer falschen Wirklichkeit festzustecken. Vielleicht gibt es so etwas wie eine Parallelwelt tatsächlich, dachte er, und ich bin irgendwie da hineingeraten.
    »Halt du dich raus!«, fuhr Mina das Mädchen an, das sich sofort zurückzog auf ein Sofa hinten an

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