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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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eines verabscheute, dann Wehleidigkeit. Aber sie war noch nicht so weit, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, in dem sie feststeckte. Sie beschloss, einen  Spaziergang zu machen, um den Kopf wieder freizubekommen, und dann weiterzusehen.
     
    Wichtig war nur, dass Mina, diese Heulsuse, sich nicht blicken ließ. Cleo würde schon mit dem Kommissar fertig werden. Sie hatte sein Foto in der Zeitung gesehen und ihn bei der Talkshow im Fernsehen beobachtet. Ihr Eindruck hatte sich mit dem gedeckt, was Jette und Merle von ihm erzählt hatten. Er war der weiche Typ, freundlich, ruhig und einfühlsam. Doch davon würde Cleo sich nicht einlullen lassen. Er hatte zweifellos seine eigene Masche, um sein Gegenüber bei Verhören in Widersprüche zu verwickeln.
    Sie musste cool bleiben. Ihr Pokerface aufsetzen. Das fiel ihr in der Regel nicht schwer. Wenn nur Mina sich nicht einmischte. Sie war so leicht zu beeinflussen. Und so rasch zu verunsichern. Mina wäre Wachs in den Händen eines erfahrenen Ermittlers.
    Mit Tilo redete Cleo kein Wort. Wie hatte er ihnen das antun können? Er hatte das Team ans Messer geliefert. Und jetzt saß er da, guckte wie ein Cockerspaniel und verlangte die Absolution. Aber die würde er nicht bekommen. Nicht von ihr. Sie war fertig mit ihm.
    Wieso hörte er nicht auf mit seinem Blabla! Sie konnte sich nicht konzentrieren, wenn er unentwegt plapperte. Was er zu sagen hatte, interessierte sie sowieso nicht. Nicht mehr. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie alle Hoffnung in ihn gesetzt. Das war vorbei. Ab heute würde sie nur noch sich selbst vertrauen.
    Sie blendete Tilo aus, kehrte den Blick in ihr Inneres und tauchte in die tiefe Ruhe ein, die sie dort fand. Sie würde Kraft sammeln, denn die würde sie brauchen.
     
    Frau Stein hatte mich rufen lassen. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch und drehte einen Kugelschreiber so schnell zwischen den Fingern, dass sie mit der Nummer glatt im Zirkus hätte auftreten können. Auf ihrer linken Wange glühte ein nervöser Fleck.
    »Heute geht aber auch wirklich alles schief«, klagte sie. »Würdest du bitte mal beim Professor vorbeischauen? Er glaubt, er muss für einen Umzug packen und hat sein ganzes Zimmer auf den Kopf gestellt.«
    »Mach ich.«
    Den Professor hatte ich besonders liebgewonnen. Er hatte Kunstgeschichte unterrichtet und war als Kunstsachverständiger weit herumgekommen in der Welt. Lange hatte er in Rom, Barcelona und London gelebt. Dann war er an Demenz erkrankt und nach Deutschland zurückgekehrt.
    An manchen Tagen sprühte er vor Vitalität und war geistig vollkommen klar, an anderen versank er in Depressionen oder wusste nicht mehr, was er tat.
    Er saß am Fenster und sah hinaus. Er wirkte ganz ruhig, aber wahrscheinlich war er nur erschöpft.
    Stärker konnte man ein Zimmer kaum verwüsten. Der Schrankinhalt lag über den Boden verstreut. Die wertvollen Kunstbücher waren achtlos auf das Bett geworfen worden. Schuhe stapelten sich auf der Fensterbank. Die Bilder hingen schief an den Wänden.
    »Guten Morgen, Herr Professor.«
    Er drehte den Kopf. In seinen Augen standen Tränen.
    »Darf ich Ihnen beim Aufräumen helfen?«, fragte ich.
    Er nickte und wandte sich wieder dem Fenster zu.
    Ich wusste, dass es Momente gab, in denen man ihn in Ruhe lassen musste und auf gar keinen Fall berühren durfte. Dies war so ein Moment. Ich fing an, die Bücher ins Regal zurückzustellen, hob die Wäsche vom Boden auf, faltete sie  und räumte sie in den Schrank. Ich versuchte, möglichst wenig Geräusche zu machen, und arbeitete konzentriert und schnell.
    Als ich fertig war, bemerkte ich, dass der Professor eingenickt war. Das Kinn war ihm auf die Brust gesunken. Er wirkte friedlich und entspannt, und ich wollte gern daran glauben, dass er sich tatsächlich so fühlte. Auf Zehenspitzen verließ ich das Zimmer, in dem nichts mehr an das Chaos von vorhin erinnerte. Wir würden später reden. Und dabei über diesen Vorfall kein Wort verlieren.
    Auf dem Flur lief ich Frau Sternberg in die Arme.
    »Kindchen«, sagte sie liebevoll. »Wie geht es Ihnen?«
    »Prima.« Ich freute mich jedes Mal, sie zu sehen. »Und Ihnen?«
    Sie nahm meine Frage nicht zur Kenntnis, fasste mich am Arm und sah mir forschend ins Gesicht. »Und warum sind Sie dann so blass?«
    »Zu wenig Schlaf«, wich ich aus.
    Es war oberstes Gebot, die Heimbewohner nicht mit eigenen Problemen zu belasten. Vorsichtshalber schickte ich meinen Worten ein strahlendes Lächeln

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