Der Scherbensammler
wiederholt, in einer eintönigen, nicht enden wollenden Schleife. Hatte sich mit ihnen in sich selbst verkrochen und darüber Bert vergessen, der vor ihr auf der Türschwelle stand, hilflos wie jedes Mal, wenn er eine solche Nachricht überbringen musste.
»Frau Gaspar?«
Sie hatte ihn geistesabwesend angeschaut und den Bademantel fester um den Körper gerafft.
»Bitte. Lassen Sie mich.«
Er hatte ihren Wunsch respektiert und keine Fragen gestellt. Müde und deprimiert hatte er sich in seinen Wagen gesetzt und war losgefahren, hinein in die Dunkelheit, die sich bald mit grauem Dämmerlicht vollsaugen würde. Die ersten, vereinzelten Vogelrufe waren schon zu hören gewesen, so fern und unwirklich, dass man glauben konnte, man hätte sie sich nur eingebildet.
Fleiß. Pflichtbewusstsein. Pünktlichkeit.
Wenn der Chef einmal loslegte, dann richtig. Bert hatte auf die Uhr geschaut. Gut, dass er das Telefongespräch mit Marlene Kronmeyer bereits hinter sich gebracht hatte. Er hätte sie nicht gern länger auf die erlösende Nachricht warten lassen, dass ihre Tochter unverletzt und in Sicherheit war.
Dass sie ausgerechnet neben der Leiche von Max Gaspar wieder aufgetaucht war, hatte er ihr verschwiegen. Damit würde er sie später konfrontieren.
»Ich möchte sie sehen«, hatte Marlene Kronmeyer gesagt. In ihrer Stimme hatte sich Erleichterung mit Traurigkeit vermischt.
»Das richte ich ihr gern aus«, hatte Bert geantwortet und sie auf später vertröstet. Nach der Einschätzung Tilo Baumgarts war das Mädchen noch nicht zu einer Begegnung mit der Mutter bereit.
Wie leicht man die Liebe seiner Kinder verlieren kann, hatte Bert gedacht. Und wie endgültig.
Rasch hatte er sich wieder auf die Worte des Chefs konzentriert, war nach der Besprechung in sein Büro gegangen, um noch einige weitere Telefonate zu erledigen, und hatte sich dann auf den Weg gemacht, um Mina Kronmeyer zu befragen.
Nachdem er auf der Suche nach einem Parkplatz mehrmals fluchend den Block umkreist hatte, in dem sich die Lessingstraße befand, lechzte Bert nun nach einem Kaffee, einer Zeitung und einer Stunde Entspannung in einem gemütlichen Café. Doch daran war nicht zu denken.
Seufzend stellte er den Wagen im Parkverbot ab. Während er sich dem Haus näherte, in dem die Mädchen wohnten, rief er sich seine früheren Besuche bei ihnen ins Gedächtnis zurück. Der kurze Ausflug in die Vergangenheit war nicht dazu angetan, seine Stimmung zu heben. Gereizt drückte er auf den Klingelknopf und wartete auf das Geräusch des Türsummers.
Die Treppen brachten ihn zum Keuchen. Er wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch, schwor sich, ab morgen mehr Sport zu treiben (Nathan wartete nur auf seinen Anruf), und wusste doch, dass daraus nichts werden würde. Vielleicht würde er als Rentner endlich Zeit dafür haben, aber er bezweifelte auch das.
Merle empfing ihn an der Tür und führte ihn in die Küche. Sie bot ihm einen Kaffee an, den er dankbar annahm, und stellte eine Dose Gebäck auf den Tisch.
»Lange nicht gesehen«, versuchte sie zu scherzen.
Bert hatte nicht vor, die Situation für sie erträglicher zu machen. Er unterdrückte das Lächeln, das ihm schon halb auf den Lippen lag. Sollte sie sich ruhig ein bisschen unbehaglich fühlen.
»Wir sind da so reingeraten«, erklärte sie ungewohnt kleinlaut. »Es war keine Absicht, ehrlich nicht.«
Bevor Bert etwas entgegnen konnte, kam Tilo Baumgart ins Zimmer. Er wirkte müde und frustriert, und die Hand, die er Bert entgegenhielt, war kalt.
»Mina ist gleich so weit.«
Im nächsten Augenblick betrat das Mädchen den Raum und Bert dachte unwillkürlich an den alten Begriff erhobenen Hauptes. Sie strahlte Würde und Gelassenheit aus. Und ein Selbstbewusstsein, wie Bert es bei einem Menschen ihres Alters selten gefunden hatte.
Er stand auf, um sie zu begrüßen und ihr sein Beileid zum Tod ihres Vaters auszusprechen.
Sie beantwortete seine Worte mit einem sympathischen, zurückhaltenden Lächeln und rückte sich einen Stuhl zurecht. Bert hatte vorgehabt, die Mädchen getrennt voneinander zu befragen, aber etwas riet ihm davon ab. Also holte er sein Notizbuch hervor.
»Ich bedaure es, Sie in Ihrer Trauer zu stören, aber es lässt sich leider nicht vermeiden, dass ich Ihnen einige Fragen stellen muss.«
»Das ist schon in Ordnung.«
Ihre Stimme war kühl und beherrscht, dabei hatte Tilo Baumgart doch behauptet, seine Patientin befinde sich in einer denkbar schlechten
Weitere Kostenlose Bücher