Der Schichtleiter
pennen!“
„Ja, aber das war, bevor ich wusste, dass ich …“ Ich breche ab, weil ich nun tatsächlich mein Gesicht auf dem Monitor sehe. Mir wird schlecht.
„Ich meine, du kannst doch eh nichts auf die Schnelle dran ändern“, versucht Lukas sich noch mal rauszuwinden.
„Und deshalb nutzt du die Gelegenheit und schleuderst dir einen drauf? Ich meine, danke, immerhin weiß ich jetzt, wie ich dich beschäftigen kann, ohne dass du mir real an die Wäsche willst …“
Ich lege mir verzweifelt die Hände übers Gesicht und schaue dabei auf meine vor Lust verzerrte Miene. Da überlege ich noch, wie es wohl wäre, ein Pornostar zu sein, und nun habe ich das Ergebnis: Es fühlt sich absolut scheiße an! Ich kann gar nicht so schnell denken, wie die Sorgen über mir zusammenbrechen. Was ist, wenn Marco davon erfährt? Ob er sich auch solche Seiten anschaut? Auf wie vielen Seiten ist das Video eigentlich hochgeladen worden? Was, wenn meine Eltern davon erfahren? Was, wenn mich irgendwer sonst erkennt? Ehemalige Mitschüler, Kommilitonen, Professoren, entfernte Bekannte! Es braucht nur einer entdecken und schon entfacht sich ein Lauffeuer. Vor allem meine Eltern … Was hat sich Werner, das Arschloch, nur dabei gedacht? Ich kann mich gar nicht beruhigen.
„Hey“, sagt Lukas und legt sanft seinen Arm um mich.
„Lass mich!“ Ich stoße ihn weg, will aber eigentlich doch, dass er mich in den Arm nimmt. Zum Glück ist der Kerl so hartnäckig wie immer und kommt meinem geheimen Wunsch nach.
„Wir kriegen das hin, okay?“
„Wie sollen wir das hinkriegen?“
Lukas lacht. „Schon vergessen? Ich bin Polizist. Du stellst Anzeige und wir ermitteln gegen denjenigen, der das Video ohne deine Erlaubnis hochgeladen hat. Du hast doch nichts unterschrieben oder so?“
„Nein“, murre ich. Lukas’ Zuversicht beruhigt mich. Er schafft es sogar, mich wieder ins Bett zu drängen. Und er hat recht: Ich kann jetzt gerade eh nichts machen. Aber einfach weiterschlafen geht auch nicht. Zu sehr rege ich mich über Werner auf. Wie soll ich ihm denn heute begegnen? So tun, als sei alles in Ordnung? Soll ich weiterhin mitspielen?
„Schau mal, die Leute, die solche Webseiten aufrufen, sind notgeile Kerle, die in dem Moment nichts anderes im Kopf haben, als sich einen von der Palme zu wedeln.“
Ich lächle gezwungen. „Hallo, notgeiler Kerl.“
„Ja“, gibt Lukas zu. „Was glaubst du, wie lang ich gebraucht hab, bis ich dich erkannt habe?“
„Keine Ahnung.“
„Ja, okay, eigentlich sofort, als dein Gesicht zu sehen war, aber … Was ich sagen will: Deine Eltern oder wer, die kommen da doch eh niemals drauf.“
Ich lasse das eine ganze Weile wirken und gelange schließlich zu dem Ergebnis, dass Lukas auch damit recht hat. Momentan ist das Video als neu eingestellt und ebendiese geilen Typen, mit denen ich ja leben kann, keulen sich einen darauf ab. Wenn da jemand auf die Seite geht, der mich kennt, dann ja wohl genau aus diesem Grund. Und die Chancen stehen doch recht gut, dass das unentdeckt bleibt.
„Weißt du, was total beknackt ist?“
„Nee“, sagt Lukas und legt sich neben mich. Ich mag es, wie er mich hält, auch wenn sein Schwanz ziemlich unnachgiebig gegen mein Bein drückt.
„Ich hab echt gedacht, dass ich kein Problem damit hätte, Pornodarsteller zu sein. Beim letzten Film hab ich sogar spaßeshalber so getan. Ich fand die Idee, dass sich Kerle daran aufgeilen, voll okay. Aber ich hab nicht eine Sekunde überlegt, was das für mich und meine Familie bedeutet. Oder für Marco …“
Lukas schweigt.
„Ich kann da nicht mehr hin!“ Entschlossen springe ich wieder aus dem Bett und ziehe mich an. „Ich melde mich krank, ich …“
Plötzlich fällt mir auf, dass Lukas noch immer still im Bett liegt. In seinem Blick finde ich eine Mischung aus Hoffnung und Bedauern. Letzteres macht mich ziemlich nervös.
„Was ist?“
„Du kannst das Marco nicht verheimlichen“, sagt er unerwartet.
Ich weiß ein paar Sekunden lang nicht, was ich antworten soll. Natürlich hat er recht, ich muss Marco die ganze Geschichte irgendwie erklären. Nur alles zu seiner Zeit.
„Ich werde mich jetzt zuerst mal krankmelden“, sage ich fest. „Dann habe ich genügend Luft, um wirklich mit klarem Kopf nachzudenken.“
Lukas’ Ausdruck ändert sich nicht.
„Was hast du?“
„Ich – ich hoffe, du bist nicht böse auf mich, aber …“
Ich halte den Atem an. Nein, bitte nicht noch mehr schlechte Nachrichten! Es
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