Der Schimmer des Ledger Kale
Außerdem haben wir ja Fe; die wird schon für unsere Sicherheit sorgen.« Mein Onkel gab Fedoras neuem Kopfschutz einen Klaps. Marisol und Mesquite hatten auf dem Dachboden einen alten Motorradhelm für meine Schwester aufgetrieben, nachdem sie ihren Footballhelm Opa Bomba überlassen hatte. Rote und orange Flammen loderten quer über seine abgestoßene weiße Kuppe, und Fe war überglücklich mit ihrer protzigen neuen Rüstung. Noch stolzer war sie allerdings gewesen, als sie erfuhr, dass sie mit ihren acht Jahren alt genug war, um auf der Ranch zu bleiben, wohingegen Tucker es mit sieben noch nicht war.
Mom seufzte, und Dad nahm ihre Hand, um sie davon abzuhalten, mir mit ihren Fingern die Haare glatt zu kämmen.
»Ledge wird nie lernen, diese Sache in den Griff zu bekommen, wenn du es immer für ihn tust, Dinah.« Er knuffte mich mit seiner freien Hand in den Arm, als wollte er sagen: Hab ich Recht, Ledge? Ich rang mir ein Achselzucken ab und hätte mich am liebsten unter einem Felsen verkrochen.
»Ein Junge muss ein paarmal hinfallen, damit er lernt, sich wieder aufzurappeln und neu zu sortieren«, keuchte Opa Bomba in seinem Sessel auf der Veranda. Bitsy lag ausgestreckt zu seinen Füßen und beschnüffelte Dads alten Footballhelm neben dem Sessel. Der Helm kippelte; er war immer noch voller Deckel, und als ich ihn erblickte, fielen mir sofort all die Erinnerungen an Oma Dollop wieder ein, die ich am Vorabend zerstört hatte. Opa in einem Footballhelm voller nutzloser Deckel herumfingern zu sehen war ein trauriges Bild.
»Als ich dreizehn wurde«, fuhr Opa fort, »riss mein Schimmer so einen tiefen Spalt in die Erde, dass ich hineinfiel und mit der Rübe gegen den inneren Erdkern knallte. Bis ich einen Weg aus diesen dunklen Tiefen herausfand, war ich schon fast ein erwachsener Mann. Und der Kopf tat mir noch Jahre später weh.«
»Du hättest eben einen Helm tragen sollen«, sagte Fedora und nickte ernst. Sie war noch zu jung, um zu wissen, dass Opa Bomba schon Dutzende unterschiedliche Geschichten über seinen Schimmergeburtstag erzählt hatte. Niemand konnte sagen, welche stimmte und welche Quark mit Soße waren.
Mom seufzte erneut. Autry legte einen Arm um ihre Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Dinah. Gypsy und Samson bleiben auch hier. Und du wirst schon sehen: Wenn Ledge erst mal ein paar Wochen bei uns war, hat er wieder festen Boden unter den Füßen.«
»Genau, und wir sehen ja alle, wie toll dieser Plan schon bei Rocket funktioniert hat«, entgegnete Mom sarkastisch.
Autry schaute zum Garten, wo Rocket Scheunentrümmer aus den Salatbeeten pflückte. Die blaue Lichthülle um ihn war verschwunden. Rocket war mit Autry, Dad und allen, die geblieben waren, schon vor dem Morgengrauen aufgestanden. Er hatte die herabgestürzten Kabel repariert und den Generator wieder mit Strom versorgt, während die anderen den Schaden begutachteten und beim Aufräumen halfen. Mich hatte niemand gebeten mitzuhelfen.
Mein Onkel rieb sich gedankenverloren das Kinn, während er über seinen ältesten Neffen grübelte. »Rocket muss nur noch eine letzte Sache lernen«, sagte er. »Und was das ist, muss er selbst herausfinden. Ich bin zuversichtlich, dass er eines Tages einen Weg finden wird, die Ranch zu verlassen.«
Beim Gedanken an eines Tages wurde mir noch mulmiger.
Doch als ich am nächsten Tag mit den anderen Kindern an diesem Tisch saß, wurde mir klar, dass mein erzwungener Aufenthalt auf dem Fliegenden Ochsenauge auch sein Gutes hatte. In der Nacht nach der Scheunenkatastrophe hatte ich mich im Bett hin und her gewälzt und mich gefragt, wie ich das jemals wiedergutmachen konnte. Wenn ich direkt nach Hause gefahren wäre, hätte Autry vielleicht nie erfahren, wie leid es mir tat, dass ich seine Scheune zerstört hatte. Außerdem musste ich Sarah Jane ja noch Omas Erdnussbutterglas abjagen. Jetzt hatte ich zumindest eine Chance, einiges von dem, was ich kaputt gemacht hatte, wieder in Ordnung zu bringen.
»Hey, Ledge! Was ist denn, wenn deine Eltern dich nie mehr abholen?« Mesquite rempelte mich erneut an, wodurch sie meinen guten Vorsätzen die Flügel stutzte.
Marisol tat besorgt. »Und wenn deine Eltern dich für immer hierlassen, wirst du ewig mit Rocket zusammenwohnen müssen. Ich hoffe, ihr zwei vertragt euch. Denn wenn nicht – zzzzttt! « Sie tat so, als würde sie ihrer Schwester einen Stromschlag verpassen, und lachte, als Mesquite schielend und mit heraushängender Zunge auf dem Tisch
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