Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
Vom Netzwerk:
wenn mein Bruder neben ihm einen Schatten wirft. Wenn er denn mal auftaucht …« Rocket pfiff durch die Zähne und hing schweigend seinen Gedanken nach. Ich war mir nicht ganz sicher, was er genau meinte, aber zu wissen, dass ich Samson also tatsächlich gesehen und es mir nicht nur eingebildet hatte, beruhigte mich.
    »Warum bleibt Samson denn nicht einfach die ganze Zeit sichtbar?«
    Rocket dachte lange nach, bevor er antwortete. »Man braucht manchmal sehr viel innere Stärke, um vor anderen zu sich zu stehen … glaubst du nicht auch?«
    Da ich nicht sicher war, was ich glaubte, zuckte ich die Achseln. Seit Jahren versuchte ich, der Junge zu sein, den mein Dad in mir sehen wollte. Ich rieb mir den Knöchel und runzelte die Stirn, als mir auffiel, wie abgelaufen das Profil meiner Schuhe schon aussah. Kein Wunder, dass ich ausgerutscht und hingefallen war. Vielleicht war es an der Zeit, die Dinge mal ein bisschen langsamer anzugehen. Oder die Schuhe zu wechseln.
    Ich lachte auf – ein kurzes, stoßweises Ausatmen durch die Nase. »Ich laufe weg. Du und Samson, ihr versteckt euch. Wir sind alle Gesetzlose«, sagte ich. »Immer auf der Flucht.«
    »Auf der Flucht«, wiederholte Rocket. »Das trifft es ganz gut. Immer auf der Flucht vor unseren eigenen Schimmertalenten.« Rocket lächelte und boxte mir in den Arm, sorgsam darum bemüht, mir keinen Elektroschock zu verpassen. Es war das erste richtige Lächeln, das er mir seit meiner Ankunft in Wyoming schenkte, aber es hielt nicht lange an. Seine Miene verdüsterte sich, als er hinter uns die Straße entlangblickte. Seine Stimme wurde zu einem leisen Knurren.
    »Ich würde sagen, wir Gesetzlosen sollten jetzt besser ganz ruhig bleiben, Ledge. Wie’s aussieht, ist der Sheriff im Anmarsch.«

24
    Als ich Jonas Browns Auto heranrasen sah, stand ich auf und stellte mich neben Rocket, während ich mich fragte, ob Mr Cabot doch noch den Sheriff gerufen hatte.
    Sheriff Brown hielt an, als er uns erspähte. Sein Wagen war inzwischen repariert, die Tür tadellos wieder eingesetzt. Im Aussteigen setzte der Sheriff seinen Stroh-Stetson auf, rückte seine Sonnenbrille zurecht und zog den Revolvergurt hoch. Ich erwartete fast, das Klirren von Sporen zu hören, während er auf uns zukam.
    »Alles klar bei euch, Jungs?«, fragte Brown.
    »Alles bestens, Sheriff«, antwortete Rocket übertrieben aufgeräumt und schob beide Hände in die Hosentaschen. »Stimmt’s, Ledge?« Er stieß mich mit dem Ellenbogen an und ich nickte.
    »Ich dachte, ich hätte dich aufgefordert, die Bremse an deiner alten Rostlaube zu reparieren, mein Junge.« Sheriff Brown schob die Sonnenbrille ein Stück hinunter und sah Rocket über den Rand hinweg an.
    »Kein Problem, Sheriff«, erwiderte Rocket und zog eine Hand aus der Tasche, um über seine Schulter nach hinten zu zeigen. »Mein Pick-up rührt sich nicht von der Stelle, Sir.«
    »Hast du das deinem Pick-up auch gesagt?« Brown wies mit dem Kinn die Straße hinunter. Der alte Ford war schon gut fünfzehn Meter entfernt und wurde schneller; er schlich sich davon wie Bitsy, wenn sie auf der Suche nach einem besseren Schattenplätzchen war.
    »Halt! Komm zurück!«, rief Rocket und rannte los. Als er den Wagen eingeholt hatte, trabte er nebenher und sprang schließlich auf das Trittbrett. Der Pick-up gewann immer mehr an Fahrt. Noch aus der Distanz konnte ich Rocket fluchen hören, während er an dem klemmenden Türgriff herumzerrte.
    Der Wagen steuerte nach rechts, direkt auf den tiefen Graben neben der Straße zu. Rocket ließ von der Tür ab und schob sich kopfüber durchs offene Fenster, hatte aber Schwierigkeiten, beide Schultern durch die schmale Öffnung zu zwängen. Ich hörte den Stahl des Pick-ups in meinen Ohren summen; er flüsterte mir seine rostigen Geheimnisse zu.
    »Die Handbremse ist hin«, sagte ich laut. Meine Stimme klang so, als gehörte sie einem anderen – jemandem, der älter war als ich.
    »Schon möglich.« Brown nickte. »Könnte aber auch ein verrosteter Bremszylinder sein.«
    »Nein, es ist das Bremsseil der Handbremse«, beharrte ich und hatte nicht die leiseste Ahnung, woher ich das wusste. Es war das gleiche Gefühl, das mich immer dann überkam, wenn ich Winona bei der Knucklehead half – ich sah das Problem klar und deutlich vor mir. Die Handbremse war hin. Rocket musste sich drehen. Er musste schleunigst mit dem Fuß auf die Bremse treten, sonst würde der Ford die Böschung herabstürzen. Und wenn er dort

Weitere Kostenlose Bücher