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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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wieder erzählt hat.« Während er das sagte, ging ein schwaches blaues Leuchten von Rocket aus, das auch alles andere in der Fahrerkabine in ein blaues Licht tauchte – sogar den alten Kaugummi, der am Armaturenbrett klebte wie eine eingetrocknete Erinnerung, von der Rocket sich nie vollständig hatte lösen können.

25
    Rocket starrte mit finsterer Miene an dem Zwangsvollstreckungsschild vorbei, während er auf den Schrottplatz fuhr. Aber als Winona aus der Werkstatt kam, trat er abrupt auf die Bremse. Winona hatte ihren graugrünen Overall an, wie immer. Außerdem trug sie schwere Lederhandschuhe und ein hochgeklapptes Schweißervisier auf dem Kopf. Ich grinste. Fedora hätte diese Schutzkleidung gefallen.
    »Das ist nicht Gus«, sagte Rocket und beobachtete, wie Winona die Handschuhe auszog. Sein Daumen schlug jetzt das Morsezeichen für SOS gegen das Lenkrad, drei kurz, drei lang, drei kurz. Nachdem ich das mit Bobbi erfahren hatte, verstand ich, warum Rocket sich auch jetzt so schüchtern verhielt. Aus den Erzählungen von Mom und Onkel Autry wusste ich bereits, dass Rocket seit Jahren Mädchen abblitzen ließ, die ihn gut fanden. Trotzdem, Winona war garantiert anders als alle Mädchen, die Rocket jemals getroffen hatte.
    »Gus ist in Las Vegas«, sagte ich zu ihm, als er die Fahrertür öffnete. »Das ist Winona, seine Tochter. Aber keine Sorge, sie kennt sich aus.«
    »Was? Warte mal, Ledge.«
    Aber ich war schon aus dem Wagen.
    »Hallo, Ledge.« Winona klatschte mich zur Begrüßung mit einer schmierigen Motoröl-Hand ab. »Du bist ja heute gar nicht hergejoggt. Hast du jetzt eine Limousine mit Chauffeur?« Sie zog das Visier vom Kopf, klemmte es sich unter den Arm und zwinkerte mir zu. Dann klopfte sie mit der Hand gegen den Kotflügel des Ford, als würde sie einen riesigen Hund begrüßen. Rocket ließ sich Zeit; er saß noch immer hinter dem Steuer und zog mehrfach an dem störrischen Griff, bis die Tür schließlich aufging. Winona kräuselte die Lippen und zog die Augenbrauen hoch, als sie ihn aus dem altertümlichen Pick-up steigen sah.
    »Ledge sagt, du bist Gus’ Tochter?« Rocket gaffte und glotzte, als hätte er die letzten acht Jahre im Weltall verbracht.
    »Ich bin Winona. Winona Neary«, stellte sie sich mit einem kurzen Nicken vor.
    »Sehr erfreut … äh, angenehm, dich … äh …« Rocket hatte mächtig Mühe, ein schlichtes »Nett, dich kennenzulernen« herauszubringen. Ich stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen, tat so, als müsste ich husten, und raunte ihm hinter vorgehaltener Hand zu: »Dein Name!«
    »Rocket Beaumont!«, platzte er heraus und reichte ihr die Hand, nur um es sich im nächsten Moment anders zu überlegen und sie schnell wieder in die Tasche zu rammen. »Ich bin Ledgers Cousin. Ich … Ich wusste gar nicht, dass Gus Kinder hat.« 
    Winona legte den Kopf schief. »Ich nehme an, dass Pops auch nicht alles über dich weiß, oder, Mr Rocket Beaumont?« Rocket strich sich mit der freien Hand über sein Hemd, um zu verschleiern, dass es sich deshalb so lustig verzog, weil es statisch aufgeladen war. Es erleichterte mich, dass auch Rockets Schimmer außer Kontrolle geriet, wenn er in Verlegenheit kam.
    »Der Sheriff sagt, wir müssen Rockets alten Ford reparieren lassen«, erklärte ich. »Die Handbremse ist hin.«
    »Die alte Dame macht sich selbstständig, was?« Winona grinste.
    »Sie hätte Rocket beinahe selbstständig plattgemacht«, antwortete ich und grinste zurück. Als Winona uns den Rücken zuwandte, um das Innere des Wagens zu inspizieren, zupfte Rocket an seinem Hemd und versuchte, seine steil zu Berge stehenden Haare glatt zu streichen.
    Die Luft flimmerte in der Hitze und der gesamte Schrottplatz sah verschwommen und unwirklich aus. Inzwischen war ich schon so oft dort gewesen, aber bei keinem meiner Besuche hatte ich den Mut aufgebracht, das Grundstück jenseits des stählernen Werkstattgebäudes zu erkunden. Nach einem Tag wie diesem kam es mir jedoch geradezu erholsam vor, in ein Meer von herrenlosen Klapperkisten einzutauchen. Denn für die Wrackteile und Trümmer konnte ich ja nichts.
    »Hilfst du mir, wenn ich mir den Pick-up mal ansehe, Ledge?« Winonas Stimme ließ mich herumfahren. Aber als ich sah, dass Rockets Augen immer noch an ihr klebten, schüttelte ich den Kopf.
    »Nein, danke. Ich glaube, ich geh ein bisschen rum – irgendwohin, wo nicht so viel los ist.«
    »Sag bloß, du willst dich endlich mal hier umsehen? Aber denk dran:

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