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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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hatte. Bobbi sagte …«
    »Moment mal«, unterbrach ich. »Bobbi? Du meinst die Schwester von Will Meeks?«
    Er zuckte die Achseln. »Genau genommen seine Tante. Aber das ist eine andere Geschichte. Willst du meine Geschichte hören oder nicht?«
    Ich machte eine Geste, als würde ich meine Lippen mit einem Reißverschluss zuziehen.
    »Jedenfalls hat Bobbi gesagt, sie würde gern wissen, wie es ist, wenn man Blitze erzeugen oder Funken versprühen kann. Wir kannten uns schon eine ganze Weile – wir waren zusammen – und sie wusste alles über unsere Familie und meine besonderen Talente.
    Wir alberten rum, und ich fühlte mich unzerstörbar und vergaß, dass sie es nicht war. Ich wollte einfach ein bisschen angeben und dachte, ich hätte meinen Schimmer gut genug unter Kontrolle, um ein bisschen Elektrizität von meiner Hand auf ihre überspringen zu lassen – du weißt schon, damit sie auch ein paar Funken sprühen konnte …« Er beendete den Satz nicht und rieb sich wieder über den Handrücken seiner linken Hand.
    »Und? Hat es funktioniert?«
    Die Muskeln in seinem Kiefer spannten sich an. »Oh, ja, Bobbi hat mächtig Funken gesprüht. Und sie hat sich dabei verbrannt. Schlimm verbrannt. Sie hätte sterben können.«
    Ich dachte an Sarah Janes Arm und fragte: »Hat sie dir verziehen?«
    Rocket ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Ja. Sie hat mir verziehen. Sie wollte mir sogar einreden, es sei ihre Schuld gewesen. Aber ich habe mir das selbst nie verziehen. Und danach kam ich zu dem Schluss, dass sie vielleicht ein besseres Leben führt, wenn ich mich raushalte. Also sind wir beide unserer Wege gegangen.«
    Vielleicht war Bobbi ihrer Wege gegangen, dachte ich und schaute meinen Cousin an. Aber Rocket hockte immer noch auf demselben Fleck.
    Mein Cousin schwieg, bis wir am Schrottplatz ankamen. Aber anstatt sofort auf die Zufahrtstraße zu Neary abzubiegen, hielt er vor dem Zwangsvollstreckungsschild und stellte den Motor aus. Rocket drehte sich auf seinem Sitz und sah mich seufzend an.
    »Meine Mom malt.«
    »Öh … ja, ich weiß«, sagte ich. »Sie hat mir zum Geburtstag ein Bild geschickt.« Tante Jenny war perfekt, und das seit dem Tag, an dem sie dreizehn geworden war. Perfekt war das Letzte, was ich je sein würde. Warum erzählte mir Rocket das also jetzt?
    Mein Cousin musste meine Verwirrung gespürt haben.
    »Kennst das Wort lasieren , Ledge? Das ist ein Begriff aus der Malerei.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Momma könnte es dir besser erklären«, fuhr er fort. »Aber so wie ich es verstanden habe, ist Lasieren eine Technik, die Maler anwenden, um eine Farbe, die so stark leuchtet, dass sie von der Leinwand zu springen scheint – so intensiv, dass sie alles andere in den Hintergrund drängt –, ein wenig zu dämpfen. Wenn man diese grelle Farbe mit einer Lasur überzieht, verschwindet sie nicht, sondern sie fügt sich besser in den Rest des Bildes ein. Die Lasur wirkt ausgleichend, und auf diese Weise erscheint das Gemälde ausgewogener.«
    »Ausgewogener?«, wiederholte ich. Rocket kicherte.
    »Fühlst du dich im Augenblick ausgewogen, Ledge? Oder hast du eher das Gefühl, dass dein Schimmer alles andere in den Hintergrund drängt? Dass er zu intensiv ist, als dass du dich noch auf was anderes konzentrieren kannst?«
    Ich nickte. Allmählich verstand ich, worauf er hinauswollte.
    »Betrachte es einfach mal so«, fuhr er zunehmend lebhaft fort. »Wenn du das Lasieren eines Gemäldes mit dem Lasieren eines Schimmers vergleichst, musst du dir vorstellen, du wärst ein Gemälde, das komplette Bild. Die Leute und die Welt um dich herum gehören gar nicht dazu. Beim Lasieren geht es nicht darum, dich harmonisch in den Rest der Welt einzufügen; es geht vielmehr darum, deinen Schimmer harmonischer in dich einzufügen. Es geht einfach darum, alle Teile von dir selbst ins Gleichgewicht zu bringen, damit die eine Sache, die sich momentan deiner Kontrolle entzieht, nicht alles andere in den Hintergrund drängt und dein Leben bestimmt. Verstehst du?«
    »Einfach?« Ich schnaubte. »Hast du gerade tatsächlich einfach gesagt?« Ich zog die Augenbrauen hoch. Rocket lachte laut auf, als er meine Miene sah. Das Geräusch erfüllte die Fahrerkabine des Pick-ups und schwappte aus den offenen Fenstern.
    »Ich nehme an, ich bin der letzte Mensch auf diesem Planeten, der dir was übers Lasieren erzählen sollte.« Rocket seufzte. »Ich gebe nur das weiter, was man mir erzählt hat. Was man mir wieder und

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