Der schlafende Engel
wurde in Brand gesteckt und musste gegen den Kopf der Vampirbande kämpfen. Das ist nicht gerade ein Kinderspiel.«
»Kann sein, trotzdem will ich ihn unbedingt aus diesem dunklen Loch herausholen, in dem er gerade steckt. Ich … ich will ihn einfach zurückhaben.«
»Dann müssen wir uns eben überlegen, wie wir das anstellen sollen.«
April schüttelte den Kopf.
»Alles ist so schwierig. Ich fühle mich, als würde ich vor einer Mauer stehen, die ich nie im Leben überwinden kann.«
»Das verstehe ich. Du musst versuchen, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Was steht ganz oben auf der Liste? Um Gabriel zurückzugewinnen, meine ich.«
April dachte an Gabriel. Doch zu ihrer Verblüffung sah sie nicht den eleganten, superattraktiven Gabriel im Dinnerjacket bei der Frühlingsbenefizgala vor sich, sondern jenen Mann, der an jenem Morgen auf der Aussichtsbank auf dem Primrose Hill gesessen hatte – aschfahl, todkrank und von Schmerzen gequält. Das war der echte Gabriel. Ja, er war schwer angeschlagen gewesen, und doch war er ihr so real, so lebendig erschienen, wie jemand, der Schmerzen und Kälte spüren konnte und sich darüber bewusst war, dass ihnen die Zeit davonlief. Sie musste alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihn, den echten Gabriel, zurückzubekommen.
»Wir müssen den König der Vampire finden«, sagte sie. »Das ist die einzige Möglichkeit, Gabe von diesem Fluch zu befreien.«
»Gut«, meinte Fiona. »Dann wissen wir ja jetzt, was wir zu tun haben.«
»Aber ich habe keine Ahnung, wie wir …«, begann April.
»Das ›Wie‹ spielt auch keine Rolle«, unterbrach Fiona mit fester Stimme. »Wichtig ist nur eins: Gabriel muss wissen, dass du auf seiner Seite bist und alles in deiner Macht Stehende tust, um ihm das Leben zu retten, damit ihr zusammen sein könnt. Na gut, dann ist es eben schwierig, aber die beste Methode, ihn aus diesem Tief herauszuholen, ist nun mal, ihm den Weg zu zeigen, oder?«
Plötzlich fühlte April sich schon viel besser. So klipp und klar formuliert zu hören, was sie zu tun hatte, rückte die Dinge tatsächlich in die richtige Perspektive. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie groß ihre Sorge um Gabriel tatsächlich war.
»Danke, Fee«, sagte sie. »Ich danke dir von ganzem Herzen.«
Obwohl sie nun mehrere hundert Meilen voneinander trennten, war es ein wunderbares Gefühl, dass Fiona sie noch immer besser kannte als jeder andere Mensch auf der Welt und genau wusste, was in ihr vorging. Und damit nicht genug: Fionas sachliche Art, Probleme anzugehen, half ihr vielleicht, auch Antworten auf andere Fragen zu finden, die ihr auf der Seele lasteten: wie sie den König der Vampire finden sollte und die Tatsache, dass sie im Zuge dessen womöglich erfahren würde, wer ihren Vater auf dem Gewissen hatte. Und wenn es ihnen gelang, dem König der Vampire Einhalt zu gebieten, könnten sie vielleicht auch die Vampire ein für alle Mal auslöschen.
»Natürlich gibt es da ein paar winzige Problemchen bei deinem Plan«, fuhr Fiona fort.
» Mein Plan? Ich dachte, es sei unser Plan«, erwiderte April grinsend.
»Na ja, wenn er funktioniert, war es natürlich auch meiner. Wenn nicht …«
Fiona beendete den Satz nicht. Wenn er nicht funktionierte, bestand durchaus die Möglichkeit, dass niemand mehr übrig blieb, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben konnten.
»Wie auch immer es ausgehen mag, es wird nicht ganz einfach werden, einen Mann ausfindig zu machen, der sich seit Jahrhunderten versteckt hält und höchstwahrscheinlich von einer ganzen Armee der blutrünstigsten Killer bewacht wird, die je auf Gottes Erdboden herumgelaufen sind. Das könnte schwierig werden.«
»Hm, vielleicht aber auch nicht«, gab April nachdenklich zurück. »Ich glaube, ich habe da eine Idee.«
April legte auf und trat zu der kleinen Kommode. Sie schob ihr Haar zur Seite, sodass das sternförmige Geburtsmal hinter ihrem Ohr zum Vorschein kam. Sie war die Furie, daran bestand kein Zweifel. Es war höchste Zeit, dasselbe wie Fee zu tun – mit einem hohen Einsatz ins Spiel gehen. Denn es gab keine wirkliche Alternative.
Achtes Kapitel
A pril hämmerte so fest gegen die Tür, dass ihre Handfläche zu schmerzen begann. »Komm schon, komm schon«, flüsterte sie, trat einen Schritt zurück und sah zu den Fenstern über der kleinen Buchhandlung hinauf. Es gab keinerlei Anzeichen, dass jemand zu Hause war, keine Bewegung am Vorhang oder sonst etwas. Bei dem Zimmer konnte es sich ebenso gut um
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