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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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unglaubliche Wut bekomme. Es ist, als würde sie mich einfach mitreißen. Am liebsten würde ich dann jemandem an die Gurgel gehen und ganz fest zudrücken. Und es wird mit jedem Mal schlimmer.«
    »Das liegt daran, dass du die Furie bist, April. Du brauchst diese Wut, um sie zu bekämpfen. Uns zu bekämpfen.«
    Sie lachte.
    »Vielleicht wird meine Laune einfach auch nur immer mieser. Aber wie auch immer, jedenfalls verstehe ich durchaus, wovon du sprichst, und Gabe …« Sie legte die Hände um sein Gesicht und küsste ihn zärtlich auf die Wange. »Ich liebe dich so sehr für das, was du getan hast.«
    »Was habe ich denn getan?«
    »Der Drachenhauch, Gabe. Als du mich auf dem Winterball geküsst hast, wurdest du von deinem Killerinstinkt erlöst. Du hast dich mit dem Virus infiziert, das stimmt, und es hat angefangen, dich von innen zu zerfressen, trotzdem habe ich die Erleichterung in deinem Gesicht gesehen. Du warst froh, sterben zu dürfen, weil du dadurch nicht länger ein Gefangener deines Verlangens nach Blut warst.«
    Sie küsste abermals seine Wange.
    »Und ich weiß, wie schwer es dir gefallen ist, den Drachenhauch zu trinken und wieder in die Dunkelheit zurückzukehren. Wieder ein Monster zu werden. Ich weiß ganz genau, was du für mich getan hast, und ich werde das niemals wiedergutmachen können.«
    Er wandte sich ab.
    »Ich habe es nicht nur für dich getan, sondern auch für mich selbst, weil ich meinen Meister finden und mich für immer von all dem hier befreien wollte, aber …«
    »Aber jetzt wird es zu stark?«
    Er sah sie an. Im kalten Schein der Deckenbeleuchtung wirkte sein Gesicht fahl und ausgezehrt.
    »Ich weiß nicht, was mit mir passiert. Ich glaube, ich verliere allmählich den Verstand.«
    »Die Träume?«
    Er nickte langsam und sah zu den Mädchen hinüber.
    »Und immer geht es um Frauen«, sagte er. »Ich scheine sie zu verfolgen, sie zu jagen.«
    »Das sind nur Träume, Gabe.«
    »Nein«, widersprach er heftig. »Das sind sie nicht. Es ist, als wäre ich tatsächlich dort gewesen, als wäre ich jetzt dort.«
    »Komm mit zu mir nach Hause«, sagte sie und kramte ihre Schlüssel aus der Tasche. »Dann setzen wir uns hin und reden in Ruhe über alles.«
    In diesem Moment geschahen zwei Dinge: Die Lichter gingen aus, und eine Lachsalve der angetrunkenen Mädchen ertönte, gefolgt von einem schrillen, hysterischen Schrei, der durch die Dunkelheit hallte. Dann begannen die Lichter wild zu flackern wie ein Stroboskop, und April sah, wie Gabriel unvermittelt aufsprang und zurückwich.
    »Gabe!« Plötzlich bekam sie Angst. Seine Augen waren weit aufgerissen, sein Mund in einem »O« erstarrt. Sekunden später ging das Licht wieder an, und die Mädchen lachten und kicherten, als wäre nichts geschehen. April trat auf Gabriel zu, doch er wich weiter zurück.
    »Was ist los, Gabe?«
    »Ich liebe dich«, sagte er. »Vergiss das nie.«
    Der Zug war stehen geblieben, und Gabriel sprang hinaus.
    »Gabe!«
    April lief ihm hinterher, den Bahnsteig entlang, aber Gabriel war zu schnell für sie. Er rannte die Treppe in einem Tempo hinauf, bei dem sie nicht mithalten konnte. Selbst mit dem Aufzug wäre sie zu langsam. Sie zwängte sich durch die Absperrung und stürzte quer durch die Schalterhalle hinaus auf die Straße, doch es war weit und breit nichts von ihm zu sehen.
    »Gabriel!«, schrie sie und sah sich um. »Bitte, Gabriel! Lass mich nicht allein!«
    Doch er war fort. April stieß einen unterdrückten Fluch aus.
    Was war passiert? Na schön, Gabriel war schon immer unberechenbar gewesen und hatte in den unpassendsten Momenten einfach die Kurve gekratzt, aber diesmal war es anders gewesen. Er hatte völlig verängstigt gewirkt. Waren die Träume schuld? Aber das konnte doch nicht der einzige Grund sein, oder? Wieso war er wie von Sinnen davongelaufen?
    »Gabriel!«, schrie sie noch einmal verzweifelt.
    Erst nach etwa hundert Metern begann sie am ganzen Leib zu zittern. Sie hatte sich mit einem Vampir angelegt, und nun stand sie allein in der Dunkelheit. Wurde sie von einem übellaunigen Vampir verfolgt? Könnte Calvin ihnen gefolgt sein? Sie warf einen Blick über die Schulter. Außerdem hatte er sie als »Hexe« bezeichnet. Hatte er sie bedroht? Hatte er sie verfolgt, so wie Marcus Brent?
    Hexe. April machte kehrt und ging die schmale Gasse entlang zu dem kleinen Laden mit der lila Haustür, doch die Buchhandlung war geschlossen, und nicht nur für den heutigen Tag, sondern im Sinne von

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