Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
Vom Netzwerk:
arrogante Mädchen in eine stumme, willenlose Hülle verwandelt hatte, ausgehöhlt von der tiefen Trauer um ihren Vater. Was umso erschütternder war, schließlich sollte doch auch sie mit dem Tod auf Du und Du stehen. Aber was wusste April schon über Vampire? Nur das, was Miss Holden ihr erzählt, was sie in Mr Gills verstaubten Büchern gelesen und bei Gabriel beobachtet hatte – nicht gerade fundierte Kenntnisse, oder?
    Davina lag zusammengerollt und mit dem Gesicht zur Wand in Aprils Bett.
    »Versuch, ein bisschen zu schlafen, okay?« Behutsam zog April die Tür zu und zuckte zusammen, als das vertraute Quietschen ertönte.
    April hatte auf dem Sofa übernachten wollen, aber Silvia bestand darauf, dass sie in ihrem Bett schliefen. »Es ist breit genug für uns beide«, sagte sie, und April wehrte sich nur halbherzig dagegen. In Wahrheit war sie heilfroh über ihre Nähe, und als Silvia beiläufig den Arm um sie schlang, machte sie keine Anstalten, ihn wegzuschieben. Innerhalb von Sekunden war sie eingeschlafen.
    April hatte keine Ahnung, wie spät es war. Einen Moment lang wusste sie noch nicht einmal, wo sie war. Als sie den Kopf wandte, registrierte sie eine Gestalt neben sich und stieß einen unterdrückten Schrei aus.
    »Pssst, ich bin’s nur.«
    Es war Davina in dem alten Minnie-Maus-Shirt, das April ihr geliehen hatte.
    »Was ist?«, flüsterte April, setzte sich auf und sah zu Silvia hinüber, die tief und fest schlief.
    Davina legte den Finger auf die Lippen und bedeutete April, ihr zu folgen. April rieb sich den Schlaf aus den Augen, schwang die Beine über die Bettkante und folgte Davina leise die Treppe hinunter in die Küche.
    »Ich konnte nicht mehr schlafen. Meinst du, deine Mutter hat etwas dagegen?«, fragte sie mit einer Geste in Richtung der halb leeren Weinflasche auf der Arbeitsplatte. Allem Anschein nach war sie schon eine ganze Weile wach.
    April schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich mache mir einen Toast«, sagte sie.
    Sie holte eine Scheibe aus der Packung, schob sie in den Toaster und nahm einen Teller und ein Messer aus dem Schrank.
    »Wie kommst du damit klar?«, fragte Davina leise.
    »Womit?«
    »Dass dein Vater gestorben ist. Wie hast du dein Leben wieder in den Griff bekommen? Ich meine, was hat es noch für einen Sinn?«
    Sie nuschelte ein klein wenig. Vielleicht war dies ja nicht ihre erste Flasche. April konnte es ihr nicht verdenken, schließlich hatte sie innerhalb weniger Wochen ihren Vater und ihren Bruder verloren.
    »Es gibt immer einen Sinn. Jeder Mensch hat jemanden, für den er weiterleben muss.«
    »Wen denn? Meine Mutter etwa?« Davina lachte. »Ich bezweifle, dass sie einen dazu bewegen kann, weiterzukämpfen.«
    »Sie braucht dich, Davina. Mag sein, dass sie es nicht zeigt, aber ihr werdet euch gegenseitig stützen müssen.«
    »Wie bitte? So wie du und Silvia? Eine untrennbare, bombenfeste Einheit?«
    Ah, das klingt schon eher nach der Davina Osbourne, die ich kenne , dachte April und gab etwas Aufstrich auf ihren Toast.
    »Das ist etwas anderes, Davina, das weißt du ganz genau.«
    Davina winkte ab. »Tut mir leid, April. Das hätte ich nicht sagen dürfen. Ihr seid immer nett zu uns gewesen. Es gibt nicht viele, von denen ich das behaupten kann.«
    »Vermutlich haben sich die Leute mit Bens Tod ziemlich schwergetan«, meinte April. »Wahrscheinlich weiß keiner so recht, was er sagen soll, wenn die üblichen Klischees nicht funktionieren.«
    »Ach, hör doch auf!«, blaffte Davina. »Meine sogenannten Freunde waren völlig aus dem Häuschen, weil dem süßen kleinen Benjamin die Sicherungen durchgebrannt sind. Damit hatten sie endlich etwas in der Hand, um mich loszuwerden. Das und die Tatsache, dass mein Mentor in Ravenwood, der beschissene Robert Sheldon, wie ein Stück Kohle verbrannt ist. Chessy und Ling müssen außer sich vor Freude gewesen sein.«
    Statt einer Antwort schnitt April ihren Toast in zwei Hälften und setzte sich gegenüber von Davina an den Tisch.
    »Na gut, du hast also herausgefunden, wer deine wahren Freunde sind«, sagte sie. »Das ist doch gut, oder?«
    Davina schnaubte nur.
    »Ich kann mich wohl nicht beschweren. Das ist so, als würde ein Tiger jaulen, weil einer der anderen im Rudel ihn gebissen hat. Wenn man mit Untoten zu tun hat, kann man nicht jammern, wenn sie plötzlich fies werden.«
    April verschluckte sich beinahe an einem Bissen Toast und starrte Davina mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Un-untote?«
    »Ja, April«,

Weitere Kostenlose Bücher