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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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würde.
    »Wenn du bleibst, bleibe ich auch. Es mag unvernünftig sein, aber hey, wann habe ich mich jemals für die Vernunftlösung entschieden? Vermutlich muss ich mich allmählich mit dem Gedanken anfreunden, dass du erwachsen bist und deine eigenen Entscheidungen triffst, vor allem, da du denselben Sturkopf hast wie dein Vater.«
    »Habe ich das?«, fragte April mit unverhohlener Freude.
    »Gott, ihr beide wart wie zwei Esel. Erinnerst du dich noch daran, als wir zum Loch Ness gefahren sind? Du wolltest unbedingt in diesem klapprigen Ruderboot auf den See hinausfahren und nach dem Ungeheuer Ausschau halten. Ich habe alles versucht – mit Vernunft, mit dem Versprechen, dir Zuckerwatte und eine Barbie und Gott weiß was sonst noch zu kaufen, aber du hast nur mit deinem kleinen Fuß aufgestampft. Du musstest Nessie sehen.«
    »Daran erinnere ich mich gar nicht.«
    Silvia strich April über die Wange.
    »Du bist deinem Vater so ähnlich. Vermutlich muss ich mir jemand anderen suchen, den ich betüddeln kann. Wahrscheinlich deinen Großvater. Im Moment geht es ihm nicht so gut, deshalb kann er ein bisschen Zuwendung bestimmt vertragen.«
    »Grandpa? Was ist mit ihm?«, fragte April, obwohl auch ihr nicht entgangen war, dass er nicht gut ausgesehen hatte. Und der Stress der letzten Tage war bestimmt auch nicht gerade hilfreich gewesen.
    Silvia lachte.
    »Keine Sorge, dein Grandpa kann immer noch wie ein Grizzly kämpfen. Wir müssen ihn nur dazu bringen, dass er ein wenig kürzertritt. Immerhin ist er schon achthundertfünfzig.«
    April wollte noch etwas sagen, aber in diesem Moment läutete ihr Handy. Es war Davina.
    »Geh nur ran, ich muss sowieso die Tüten auspacken«, sagte Silvia.
    April trat in die Diele, während Silvia sich den Einkaufstüten zuwandte und mehrere Flaschen herausnahm, die verdächtig nach Weinflaschen aussahen.
    »Hey, Vina, was gibt’s?«
    Sobald Davina zu sprechen begann, wusste April, dass etwas nicht in Ordnung war. Und zwar ganz und gar nicht.
    »April …« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Mein Dad.«
    »Dein Dad? Was ist passiert?«
    »Er … er …«, stammelte sie und begann zu schluchzen. »Er und Mummy haben sich gestritten. Er ist in den Wagen gestiegen und … oh Gott.«
    »Was?«, fragte April, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    »Er ist tot, April. Daddy ist tot.«

Zweiundzwanzigstes Kapitel

    S ilvia fuhr April ohne Umweg ins Krankenhaus, wo sie eine Polizistin am Empfang darüber informierte, was vorgefallen war: Nicholas hatte weiter getrunken und so lange an Barbara herumgestichelt, bis es zu einem Schreiduell zwischen den beiden gekommen war. Auf dem Höhepunkt des Streits hatte er einen Telefonanruf entgegengenommen, der ihn vollends in Rage gebracht hatte. Er hatte das Telefon in den Spiegel geschleudert, war in seinen Wagen gesprungen und mit quietschenden Reifen aus der Einfahrt und den Highgate Hill hinunter gerast. Im Kreisverkehr am Archway hatte er die Kontrolle über seinen Wagen verloren und sich überschlagen. Es grenze an ein Wunder, dass sonst niemand zu Schaden gekommen sei, meinte die Polizistin.
    Nach einem kurzen Disput erlaubten die Schwestern Silvia und April, zu Barbara zu gehen, die in einem durch einen Vorhang abgetrennten Bett lag, sediert durch die Mischung aus Alkohol, dem Schock und starken Beruhigungsmitteln. Davina saß an ihrem Bett und starrte blicklos auf das Waschbecken.
    »Davina?« April ging neben ihr in die Hocke. »Sie behalten deine Mutter heute Nacht zur Beobachtung hier, okay? Sie ist in den besten Händen. Wieso kommst du nicht mit nach Hause?«
    »Nach Hause?«, wiederholte Davina tonlos.
    »Zu uns nach Hause, am Pond Square«, sagte April und sah Silvia an, die nickte. »Ich kläre das mit der Polizei. Notfalls gehe ich zum Polizeichef.«
    April nahm Davinas Hand.
    »Komm. Es bringt nichts, wenn du noch länger hier sitzt«, sagte April. »Du brauchst ein bisschen Schlaf.«
    Davina nickte. »Okay.«
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, die Königin der Schlangen zu trösten, ein eiskaltes Monster, von dem sie sicher war, dass es mehrere Morde auf dem Gewissen hatte, möglicherweise sogar an Menschen, die sie selbst kannte. Aber falls dies der Manipulationsversuch eines Vampirs sein sollte, war Davina Osbourne eine begnadete Schauspielerin, die für ihre Darbietung einen Oscar verdient hätte.
    April brachte Davina in ihr Zimmer hinauf. Es brach ihr das Herz, zu sehen, wie sich das sonst so selbstbewusste,

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