Der schlagende Beweis
tat weh und sein Herz noch mehr. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken. Nachdem er sich zwanzig Minuten lang im Bett hin und her geworfen hatte, stand er wieder auf.
Es war eine hei ße Nacht, doch auf der Veranda herrschte gewöhnlich eine kühle Brise. Martin füllte ein Glas mit Scotch und Eis und setzte sich an den Pool. Die Sterne waren hell, und es gab kaum Wolken. Wenn er Patty nie begegnet wäre, hätte dies ein vollkommener Augenblick sein können. Doch Patty war tot, Gene Arnold saß im Gefängnis von Laurel County, und irgendjemand lachte sich über sie alle ins Fäustchen. Aber wer?
Lester Dobbs hatte ausgesagt, dass Paul McCann jemanden auf dem Handy anrief, nachdem er Patty ermordet hatte. Wen hatte er angerufen? Pl ötzlich setzte sich Martin senk-recht auf. Hatte McCann wirklich jemanden angerufen? Der einzige Grund, warum alle glaubten, eine dritte Person sei an Pattys Entf ührung beteiligt gewesen, war Lester Dobbs' Behauptung, er habe Pauls Telefongespräch in der Wüste mit angehört.
Alvarez nahm einen Schluck Scotch und lie ß die Gedanken schweifen. Und wenn Dobbs nun die Geschichte über den dritten Mann erfunden hatte? Dobbs war wieder auf freiem Fuß, als Melissa entführt wurde. Wusste irgendjemand, wo er zur fraglichen Zeit war? Bei der Übergabe des Lösegelds für Patty war definitiv noch jemand bei Dobbs gewesen, aber vielleicht waren an dem Plan, Patty Alvarez zu entführen, wirklich nur zwei und nicht drei Leute beteiligt gewesen.
Es war h öchste Zeit, einmal mit Lester Dobbs zu sprechen.
Dobbs lebte seit kurzem in einem Wohnwagenpark am Rande der Stadt, ein Privileg, das er sich mit seiner Aussage f ür die Staatsanwaltschaft verdient hatte. Sein Wohnwagen stand am Ende der letzten Reihe; dahinter war offenes Gelände. Martin ging im Morgengrauen auf die Wohnwagentür zu. Irgendwo in den Bergen heulte ein Kojote. Der Laut ging ihm auf die Nerven. Er riss sich zusammen, bevor er an die Metalltür klopfte.
Niemand machte auf. Martin lauschte angestrengt, ob er drinnen etwas h örte. Die Metallverkleidung klapperte von einem kräftigen Windstoß.
»Dobbs, machen Sie auf!«
Der Kojote heulte noch einmal, und ein unheimlicher klagender Laut antwortete ihm. Die Kojoten waren auf der Jagd. Martin auch.
Er nahm seine .45er Pistole heraus und öffnete die Tür.
Er blieb einen Moment stehen und lauschte. Dann ging er hinein und hoffte inst ändig, dass Dobbs nicht im Dunkeln auf ihn lauerte. Noch ein Schritt. Nichts. Martin bediente einen Wandschalter. Der enge Wohnraum war hell erleuchtet. Martin drehte sich langsam um und sah ein Spülbecken mit ungewaschenem Geschirr und eine Arbeitsplatte voller leerer Bierdosen. Dobbs' Kleider waren bis zu seinem Bett über den Boden verstreut. Und dann sah er eine Gestalt unter der Bettdecke, und er merkte, wie sich ihm die Haare im Nacken sträubten.
»Lester«, rief er, aber er wusste, dass Dobbs nicht antworten würde.
Martin zog die d ünne grüne Decke und das Laken weg und trat entsetzt zurück. Ein tiefer, gezackter Schlitz zog sich quer über Dobbs' Kehle. Die Bettwäsche war von getrocknetem Blut verkrustet. Falls Dobbs irgendetwas über Melissas Entführer wusste, dann hatte er es mit ins Grab genommen.
»Er ist schon seit zwei Tagen tot«, erklärte Norm Chisholm. Er und Martin saßen in einem Streifenwagen. Es war sieben Uhr morgens. Alvarez hatte die Hände um eine Tasse dampfend heißen Kaffee aus der Thermoskanne gelegt. Er schmeckte grauenhaft, half ihm aber, die Augen offen zu halten.
»Gab es in Dobbs' Wohnwagen irgendetwas, das ihn mit Melissa in Verbindung bringt?«
»Bisher nicht, und die Typen von der Gerichtsmedizin haben jeden Zentimeter durchkämmt. Ich hab allerdings auch nicht erwartet, dass wir was finden. Wir haben Dobbs sofort verhört, nachdem Gene die Entführung gemeldet hat, und er hatte ein Alibi.“
»Aber warum hat man ihn umgebracht?«
»Dobbs muss etwas gewusst haben, wovon sich der Kidnapper bedroht fühlte. Vielleicht hatte er gelogen, als er behauptete, er habe nicht gewusst, wen McCann anrief, nachdem Patty tot war.«
»Ist Gene damit aus dem Schneider?«, fragte Martin hoffnungsvoll.
»Fürchte, nein. Dobbs wurde in der Nacht, bevor wir Gene verhaftet haben, umgebracht. Gene war den ganzen Abend allein. Er hat kein Alibi.«
12
Eine Woche nach dem Mord an Dobbs wartete Paul McCanns Frau an der T ür zu Richter Schriebers Gerichtssaal auf Aaron Flynn.
»Werden Sie ihn rausholen?«, fragte
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