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Der Schlangenmensch

Der Schlangenmensch

Titel: Der Schlangenmensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Gewandtheit von damals.
Nur du kannst durch den Entlüftungsschacht kriechen. Eine halbe Stunde Arbeit.
Aber du kassierst ein Jahresgehalt.“
    „Gib dir keine Mühe“, sagte
Dürrmeier. „Ich habe seit meiner Verurteilung kein krummes Ding mehr gedreht.
Und ich bleibe sauber bis zu meiner letzten Stunde.“
    „Ach, wirklich?“
    Ein höhnischer Zug glitt über
Malowitz’ Gesicht.

6. In verzweifelter Lage
     
    Vor der Tankstelle sprang Anke
vom Rad. Sie hatte Herzklopfen vor Freude.
    Sie lief an dem leeren Kombi
vorbei, um das Rad an die Schmalseite des Bürobaus zu stellen. Durch das
geöffnete Fenster hörte sie Stimmen. Auch die ihres Vaters.
    Nur einen Moment wollte sie
noch warten. Bis die Kundschaft weg war. Dann würde sie ihrem Vater um den Hals
fallen.
    Leise, um nicht zu stören,
lehnte sie ihr Rad an die Wand.
    „Ach, wirklich?“ hörte sie eine
höhnische Stimme.
    Anke blieb stehen. Sie hatte noch
niemals gelauscht. Aber was der Mann jetzt sagte, klang so feindselig, daß sie
sich nicht wegstehlen konnte.

    „Du bist ein Traumtänzer,
Günther“, hörte sie die harte Stimme. „Du denkst, du kannst entscheiden, was du
tust. Irrtum! Ich werde es dir sagen und vorschreiben! Und bild’ dir nicht ein,
die Polizei könnte dir helfen! Die kann dich und deine Familie nicht Tag und
Nacht beschützen. Und selbst wenn Herbert und ich eingelocht werden — ich habe
viele, viele Freunde, wie du dir sicherlich denken kannst. Du und deine Familie
— ihr wärt nicht mehr sicher. Und wie leicht passiert so ein Unfall! Wie
schnell stößt Kindern ein Unglück zu — nur weil sich der Vater halsstarrig
stellt. Nur weil er sich einredet, er müsse als ehrlicher Spießer ein jämmerliches
Dasein fristen! Kapiert, Günther?“
    Anke hielt den Atem an. Ihre
Knie zitterten. Sekundenlang war sie unfähig, sich zu rühren. Dann preßte sie
sich an die Wand des Bürogebäudes.
    „Du Lump!“ hörte sie ihren
Vater sagen. „Malowitz, du warst schon immer ein Lump! Aber du bist noch
schlimmer geworden.“
    Der andere lachte. „Aus deinem
Mund klingt das wie ein Kompliment. Gut, mein Lieber! Um es zum letzten Mal
klarzustellen: Wenn ich oder mein Freund Herbert irgendwelche Schwierigkeiten
kriegen - wenn bei uns plötzlich die Bullen auftauchen, dann wissen wir:
Dahinter steckst du. Das verdanken wir dir. Und dann bist du dran, mein Lieber!
Dann kannst du dir jetzt schon das Grab schaufeln. Und für deine Familie gleich
mit. Denn was dann noch zu tun wäre, besorgen meine Freunde. Also vergiß, daß
es die Polypen überhaupt gibt. Klar?“
    „Ich verpfeife euch nicht“,
sagte Ankes Vater. „Aber laß mich in Ruhe.“
    „Nein! Ich sagte es dir schon.
Ich brauche deine Fähigkeiten als Schlangenmensch. Ohne dich ist der Einbruch
nicht zu machen.“
    „Dazu kannst du mich nicht
zwingen“, erwiderte Dürrmeier. „Und dazu wirst du mich nicht zwingen. Nie! Für
kein Geld der Welt begehe ich ein Verbrechen. Und das ist mein letztes Wort.“
    Anke hörte, wie ein Stuhl
gerückt wurde. Drei seiner Holzbeine scharrten über die Fliesen. Das vierte,
das etwas zu kurz war, klapperte — klack! klack! klack! — auf den Boden.
    Das Geräusch kannte sie genau.
Es war der Schreibtischstuhl ihres Vaters. Schritte kamen zum Fenster. Hastig
zog sie sich hinter die Ecke zurück.
    Das Fenster wurde geschlossen.
    O Gott! Anke preßte die Hände
aneinander. Verbrecher! Offensichtlich irgendwelche Kerle, die ihr Vati von
früher her kannte! Sie setzten ihm zu. Zum Mitmachen wollten sie ihn überreden -
nein, zwingen! Zu einem Einbruch. Aber er blieb standhaft. Er würde ehrlich
bleiben, immer!
    Ihr Herz hämmerte. Sie hatte
Angst um ihren Vater. Aber sie war stolz auf ihn. Jetzt zeigte er, daß seine
Vergangenheit ein für alle Mal abgeschlossen war.
    Aber, dachte sie, auch ich kann
die Polizei nicht verständigen. Sonst denkt dieser Malowitz, mein Vati wäre es
gewesen, und dann würde Schreckliches passieren. Ihm! Und auch uns! Ich darf
nichts sagen. Mir sind die Hände gebunden. Aber ich kann doch nicht zusehen,
daß ein Verbrechen geschieht, von dem ich weiß! Was soll ich nur tun?
    Vor allem, dachte sie, darf ich
mir nichts anmerken lassen. Ich muß nachdenken.
    Sie lief ins Haus, rief ihrer
Mutter zu, sie sei wieder da und ging auf ihr Zimmer.
     
    *
     
    Nachdem Dürrmeier das Fenster
geschlossen hatte, setzte er sich wieder hinter den Schreibtisch.
    „Das war also dein letztes
Wort?“ fragte Malowitz.
    Gerlich ballte

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