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Der Schlangenmensch

Der Schlangenmensch

Titel: Der Schlangenmensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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zum Ausgang lief,
wandte sie sich mehrmals um. Fröhlich winkte sie ihnen zu.
    Die TKKG-Freunde blieben noch
im Zoo.
     
    *
     
    Der Streifenwagen fuhr die Klostertaler
Landstraße entlang, verminderte das Tempo und hielt vor der kleinen Tankstelle.
    „Nichts für ungut, Herr
Dürrmeier“, sagte Kommissar Reichart. „Es tut mir leid, daß wir Sie festnehmen
mußten. Aber zuviel sprach gegen Sie.“
    „Ich weiß.“‘
    Ankes Vater lächelte. Er sah
erschöpft aus.
    „Aber jetzt“, Reichart drückte
noch ein paar Falten in seine verbiesterte Miene, „werde ich mir Priewe und
Papenfuß vornehmen, daß denen Hören und Sehen vergeht. Papenfuß ist der
Alibi-Geber, ein ganz windiger Bursche.“
    Dürrmeier stieß den Schlag auf.
    „Vielen Dank, daß Sie mich
hergefahren haben.“
    „Ist doch selbstverständlich“,
sagte der Kommissar.
    Sie schüttelten sich die Hand,
als kämen sie als dickste Freunde von einem sonntäglichen Frühschoppen.
    Dann stieg Günther Dürrmeier
aus, und Kommissar Reichart fuhr zur Innenstadt zurück.

    Die Klostertaler Landstraße
führte aus der Stadt hinaus, aber nicht in Richtung beliebter Ausflugsziele,
sondern zu einem Steinbruch, einem Gipswerk, einer Kiesgrube. So kamen selbst
bei Schönwetter nicht allzu viele Autos vorbei.
    Wären nicht die Nachbarn und
Straßenanlieger gewesen, hätte Dürrmeier mit der Tankstelle überhaupt nichts
verdient. Sie lag einfach zu ungünstig. Doch gemerkt hatte er das erst, nachdem
der Pachtvertrag bereits unterschrieben war.
    Zeitlich fiel das mit Frau
Dürrmeiers Geschäftsaufgabe zusammen. Wegen einer Verschlimmerung ihres Asthmaleidens
und wegen Verschuldung hatte sie die Drogerie nicht länger halten können. Bei
den Firmen, die die Drogerie beliefert hatten, waren noch zahlreiche Rechnungen
offen. Das mußte abbezahlt werden und würde Jahre dauern. Deshalb ging es der
fünfköpfigen Familie, die noch nie auf Rosen gebettet war, finanziell schlecht.
    Zusätzlich zu seinem Dienst an
der Tankstelle nahm Günther Dürrmeier Gelegenheitsarbeiten an, wo immer sie
sich boten. Aber auch das brachte — trotz seines Bienenfleißes — nicht genug ein.
    Für einen Moment blieb er am
Bordstein stehen — ein schmaler, fast ausgemergelt wirkender Mann mit blassem
Gesicht und sanften Augen.
    „Günther!“
    Seine Frau, der es heute etwas
besser ging, kam aus dem Büro hinter den Tanksäulen.
    Er lief ihr entgegen. Sie
umarmten sich.
    „Gott sei Dank!“ flüsterte sie.
„Jetzt hat sich doch alles zum Guten gewendet.“
    „Meine Vergangenheit werde ich
wohl nie los“, sagte er. „Nur deshalb kam ich sofort in Verdacht.“
    „Aber jetzt ist es
überstanden.“
    Sie lächelte zu ihm auf. Karola
Dürrmeier war eine hübsche, zarte Frau, der man freilich ansah, daß sie oft
unter Atemnot litt. Die rehbraune Farbe der Augen hatte Anke von ihr.
    „Geh jetzt und ruh dich aus“,
sagte er. „Ich mache weiter. Wo ist Anke?“
    „Noch bei ihren Freunden. Ich habe
ihr eingeschärft, nicht sobald heim zu kommen. Damit sie auch mal was hat. Sie
ist schon viel zu ernst für ihr Alter. Sie arbeitet zuviel. Natürlich wollte
sie hier den Dienst übernehmen, aber mir geht’s heute prächtig. Und sie hat ja
schon auf die Party verzichtet, weil ich wieder einen Asthmaanfall hatte. Ich
mache uns jetzt rasch was zu essen, ja?“
    Dürrmeier sagte, er hätte
großen Appetit, und seine Frau lief in das kleine Haus hinter der Tankstelle.
Im Garten war ein Sandkasten angelegt. Dort spielten die beiden Jüngsten:
Wolfgang und Klaus, vier und sechs Jahre alt.
    Dürrmeier ging in den flachen
Bürobau, setzte sich an den zerkratzten Schreibtisch und rief einen Kunden an.
Der hatte neue Reifen bestellt. Heute sollte sein Wagen umgerüstet werden. Dürrmeier
sagte ihm, er könne nachher vorbeikommen.
    Während er telefonierte,
blickte er durch das geöffnete Fenster an der Schmalseite zum Garten. Die laue
Luft des sonnigen Mittags strömte herein.
    An der Außenwand war ein
kleiner Spiegel als Spion angebracht. Wer am Schreibtisch saß, konnte darin
beobachten, was sich vorn bei den Zapfsäulen abspielte. Das mußte sein, denn
nur ein Teil der Bürowand war straßenseitig verglast. Der Schreibtisch stand im
toten Winkel an der Mauer.
    Dürrmeier beobachtete, wie ein
Kombiwagen mit zwei Insassen bei den Zapfsäulen hielt.
    „Gut, also um drei“, sagte er
in den Hörer. Dann legte er auf.
    Als er aufstand, warf er noch
einen Blick in den Spion. Seine Augen weiteten sich.

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