Der schlaue Pate
einer Mafia-Organisation zu haben.«
»Der kalabrischen ’Ndrangheta«, bestätigte Desirée und schlug eine Klarsichthülle mit einem Ausdruck auf. »Zumindest vor etwa siebzehn Jahren, also vermutlich nachdem das Foto gemacht wurde, war es mehr als nur ein Verdacht. Der SPIEGEL berichtet –«
»Okay«, unterbrach Andreas sie. »Ich verschwinde. Das geht mich alles nichts an.« Diesmal erhob niemand Einwände. Er nickte in die Runde und verließ den Salon.
»Der SPIEGEL berichtete damals von einem Großeinsatz, die GSG 9 stürmte das Haus eines Cataldo Crotone, ›dessen Bande vom nordhessischen Melsungen aus in ganz Deutschland raubte, dealte, Autos stahl und vor allem Schutzgeld erpresste‹. Cataldo ist der ältere Bruder von Pino, dem Besitzer des La Mama, er wurde zu zwölf Jahren verurteilt, aber nach sieben Jahren nach Italien abgeschoben. Das war vor Baginskis Zeit. Als der ein paar Jahre später gegen Pino ermittelte, konnte er ihm nichts nachweisen.«
Draußen war ein Motor zu hören, doch Prinz erkannte sofort, dass es nicht Andreas’ Porsche war, und sah aus dem Fenster. Ein Taxi fuhr auf den Innenhof von Gut Holdorf.
»Wir sollten also diesen Achim …«, begann Desirée, als Andreas wieder hereinkam, mit Dr. Trudi Bläsius im Schlepptau, diesmal ohne Aktenkoffer.
31.
»Matthias hat mich geschickt«, erläuterte Dr. Trudi Bläsius, nachdem sie von Ingrid mit einem Kaffee versorgt worden war, »weil er meint, ich könnte Sie und Ihren Mandanten eher zu etwas bewegen, was er für erforderlich hält.«
»Worum handelt es sich da?«, fragte Andreas.
»Eine sozusagen inoffizielle Gegenüberstellung.«
»Nicht vor Gericht verwertbar? Was soll das bringen?«
»Klarheit, Herr Viehmann. Wenn eine bestimmte Person Ihren Mandanten erkennt, wird er sehr schnell genügend Beweise finden. Wenn nicht, scheidet Herr Baginski als Verdächtiger aus.«
»Und wer ist diese Person?«, fragte Prinz.
Dr. Bläsius machte eine dramatische Pause. »Miriam Bosch, die Psychologin aus Lippstadt. Die letzte Verschwundene.«
Alle rissen verblüfft die Augen auf.
Nur Prinz verzog keine Miene. »Sie ist wieder aufgetaucht?«
Dr. Bläsius nickte. »Nachdem sie fast ein halbes Jahr lang in einem fensterlosen Raum mit Stahltür festgehalten worden ist. In der Nacht zum vergangenen Sonntag kam sie in einem anderen Raum wieder zu sich, nachdem sie offenbar für eine unbestimmbare Zeit betäubt gewesen war. Sie war nackt, und es war kalt und dunkel. Sie glaubte, sich in einer Art mittelalterlichem Kerker zu befinden. Durch eine Ritze in Bodenhöhe drang etwas fahles Licht in den Raum. Es war Vollmond. Sie entdeckte eine Tür, die sich öffnen ließ. Ihr Eindruck mit dem Kerker war gar nicht so verkehrt. Es handelte sich um einen von zwei sogenannten Sarazenentürmen, wohl Überreste einer Burg aus dem neunten Jahrhundert, oberhalb eines Ortes namens Cotignac in Südfrankreich, eigentlich versperrt und nicht zugänglich, aber aufgebrochen. Sie lief hinunter in diesen Ort und schrie um Hilfe.«
Alle starrten sie sprachlos an. Sie lächelte ein bisschen, fast als würde sie sich in der Aufmerksamkeit sonnen.
»Miriam Bosch hat ihr Schulfranzösisch so ziemlich vergessen und war verständlicherweise in einem Zustand höchster Verwirrung. Eine völlig abgezehrte, verängstigte Frau, die nachts nackt und schreiend durch ein verschlafenes Dorf rennt. Die Dorfpolizisten und die regionale Gendarmerie hielten sie zunächst für eine aus irgendeiner Anstalt ausgebüxte Geisteskranke. Da sie sich auf Englisch verständlich zu machen versuchte, dachte der Landarzt dort, sie sei eine durchgeknallte Engländerin. Die Gegend ist offenbar bei ruhesuchenden Briten beliebt, Eric Idle von Monty Python hat in dem Ort ein Ferienhaus. Cotignac liegt ziemlich abgelegen im Hinterland der Côte d’Azur, die Gegend ist dünn besiedelt, es gibt keine größeren Städte, deshalb dauerte es bis Montagnachmittag, bis ein Psychologe, ein Übersetzer und ein Kommissar der Police judiciaire aus dem über hundert Kilometer südlich gelegenen Toulon eintrafen. Da Miriam Bosch auch am Dienstag bei ihrer Geschichte blieb, so unglaubwürdig sie den Franzosen vorkam, richtete der Kommissar eine Anfrage ans BKA . Daraus resultierte der Anruf, den Matthias gestern erhielt. Miriam Bosch ist gestern Abend in Düsseldorf in Begleitung französischer Polizisten gelandet und befindet sich mit ihnen zurzeit zu Hause bei ihrem Mann
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