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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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Privatangelegenheit zwischen ihr und Karras.«
    »Das glaube ich auch«, stimmte Ingrid zu. »Aber ich staune, dass du weißt, wer Ibsen ist und was der geschrieben hat.«
    »Den hab ich sogar gelesen«, sagte Desirée gereizt.
    Ingrid und Andreas nahmen sie manchmal gutmütig hoch mit dem verbreiteten Unwissen junger Leute über alles, was vor dem Mauerfall passiert ist. Beiden war natürlich klar, dass Desirée über alles Mögliche in der Regel mehr wusste als sie selbst, aber zu solchen Frotzeleien hatte Desirée jetzt keine Lust
    »Klasse, Desirée«, warf Prinz schnell ein. »Mach weiter.«
    Sie funkelte Ingrid einen Moment an, räusperte sich und konzentrierte sich wieder auf ihre Akte. »Bei ihm ist die Sache schwieriger, über Polizisten ist wie bei den Juristen kaum was im Netz zu finden. Ob er verheiratet ist oder wo er wohnt, konnte ich nicht herausfinden. Finanzielle Lage ebenfalls nicht. Die Gewerkschaft der Polizei gibt ein Fachblatt namens ›Die Kriminalpolizei‹ heraus, das ganze Archiv ist online, da ist er dreimal erwähnt worden, einmal mit Stichworten zum Lebenslauf, als er vor sechs Jahren Kriminaldirektor wurde. Offenbar ist das ungewöhnlich für jemanden, der noch keine vierzig ist und keinen akademischen Titel hat, er wird als ›shooting star‹ und möglicher zukünftiger   BKA -Präsident bezeichnet. Er hat sich für zwei Jahre beim Bund verpflichtet, dann in Saarbrücken Politische Wissenschaft studiert, anscheinend ohne Abschluss. Mit fünfundzwanzig wurde er beim   BKA   in Wiesbaden Anwärter, mit siebenundzwanzig Kriminalkommissar in etwas, was sich ›Abteilung organisierte und allgemeine Kriminalität, Gruppe Gewalt- und Schwerkriminalität‹ nennt. Wurde nach nur einem Jahr Oberkommissar, blieb das fast sechs Jahre lang.
    Nach dem 11.   September wurde in Berlin in der Abteilung Staatsschutz des   BKA   etwas gegründet, was sich ›Gruppe   ST   3‹ nennt und für Terrorismus, Islam-Extremismus und Ausländer zuständig ist. Dort hatte er offenbar tolle Erfolge, über die wegen Geheimhaltung nicht berichtet werden kann, und studierte zwei Jahre an einer Polizeiführungsakademie in Münster-Hiltrup für den höheren Dienst, wurde danach als Kriminalrat stellvertretender Leiter dieser Gruppe mit Sitz in etwas, was ›Gemeinsame Terrorabwehrzentrale   GTAZ ‹ heißt, ebenfalls in Berlin, des   BKA , des   BND   und des Verfassungsschutzes. Nur ein Jahr später ging er zurück nach Wiesbaden, wo er in seiner alten Abteilung als Kriminaldirektor Leiter der Gruppe Rauschgift wurde. Tja, und letztes Jahr im Oktober wird er in einer ziemlich gehässigen Meldung der taz erwähnt. Seine ganze Gruppe hatte sich offenbar erfolglos in irgendeine Ermittlung verbissen und wichtige andere Sachen vernachlässigt, Karras war als Chef nicht mehr tragbar. Aber ein Beamter kann so ohne Weiteres nicht gefeuert, nicht einmal degradiert oder in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Also hat man ihn, laut taz, ›auf einen Posten versetzt, wo er keinen Schaden mehr anrichten kann: als Leiter der Vermisstenstelle des   BKA   in der Abteilung   ZD   (Zentrale kriminalpolizeiliche Dienste, Personenerkennung), zugehörig zur Gruppe   ZD   3 (Operative Dienste). Diese Stelle wird üblicherweise nur von einem Hauptkommissar geleitet.‹ Tja, das wär’s so weit.«
    Prinz schüttelte bewundernd den Kopf. »Das ist viel mehr, als ich erwartet hatte. Super, Desirée.«
    Sie spürte, wie eine Welle des Stolzes durch ihren Körper schwappte, und hatte fast schon vergessen, dass die anderen ihren neuen Verdacht gegen Baginski nicht teilten.
    Prinz fuhr fort: »Klingt ganz nach einem Kerl, der sich bestimmt eine Menge Feinde gemacht hat. Kaum auf eine Stelle versetzt, wo eigentlich einer sitzt, der drei Ränge unter ihm steht, zaubert er diese Nummer mit einem angeblichen Serienmörder aus dem Hut und verbeißt sich darin.«
    »Vermutlich glaubt ihm auch intern keiner«, sagte Ingrid, »deshalb wendet er sich nicht an einen   BKA -Psychologen, sondern gräbt eine alte Flamme aus der Schulzeit aus, die ihn anhimmelt.«
    Professor Rind nickte. »Ihnen ist doch sicher aufgefallen, wie Frau Dr., äh, Bläsius gestern bewundernd sagte, erst Matthias habe die Verbindung hergestellt?«
    »Die es gar nicht unbedingt geben muss«, stimmte Prinz zu. »Vielleicht ist die ganze Sache ein Luftschloss, das der einstige Überflieger errichtet, um seinen Absturz zu kompensieren.«
    Professor Rind nickte

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