Der schlaue Pate
kann. Nach allem, was ich bisher weiß, könnte Ihr Mandant Baginski ein typischer Ewiger Anbeter sein. Der Ewige Anbeter nimmt, manchmal nach Jahren und oft längst selbst verheiratet, wieder Kontakt zu einer Frau auf, in die er in der Jugend mal verliebt, mit der er vielleicht sogar kurzzeitig zusammen war. Die Frau ist in der Regel ebenfalls längst gebunden. Anscheinend hat beinahe jede Frau, die nicht die reinste Schreckschraube ist, so einen aus der Vergangenheit, der sich nicht abschütteln lässt, immer wieder anruft. Ich habe auch einen.«
»Mir gefällt Ihre Ausdrucksweise«, meinte Professor Rind. »Geisteskranke, durchgeknallt, Schreckschraube. Ist bestimmt, hm, hilfreich.«
»Eigentlich ist mir bloß der Schnabel so gewachsen, aber Sie haben recht, Herr Professor, hilfreich ist es schon, besonders bei Männern.«
Ingrid lächelte. »Ich habe drei von denen, und du, Desirée, könntest mit Niki gerade deinen ersten akquiriert haben.«
Desirée starrte sie an.
Dr. Bläsius fuhr fort. »Die Frau ihrerseits hat den Mann in den meisten Fällen durchaus gern, trifft sich gern und lacht mit ihm, manchmal ist er der Einzige, mit dem sie über ihre Eheprobleme redet, was Frauen sonst nur untereinander tun. Und je nachdem, was sonst gerade in ihrem Leben passiert und wie sie so gepolt ist, geht sie hin und wieder auch mal mit ihm ins Bett. Aber eine Beziehung kann sie sich mit ihm nicht oder nicht mehr vorstellen, macht von sich aus fast nie etwas, um ihn nicht zu ermutigen. Sie will ihn nicht verletzen, aber wenn er aus der Rolle fällt und mehr will, weicht sie instinktiv zurück und fühlt sich unter Druck gesetzt. Situationsbedingtes geschlechtsgerechtes Verhalten.«
»Nun, da gibt es tatsächlich einiges, was auf Herrn Baginski und Ellen Kaiser passen könnte«, nickte Professor Rind, »nur scheint mir deren Beziehung von beiden Seiten doch etwas ernster gewesen zu sein. Aber, äh, nun, hm, ich vermute, Sie betrachten sich in Bezug auf, äh, Matthias als eine der wenigen betroffenen Frauen?«
Wieder dieses schwächliche Lächeln. »Ich könnte mich dazu entwickeln, wenn ich nicht aufpasse. Ich nehme an, Sie haben schon festgestellt, dass wir auf dieselbe Schule gingen?«
Desirée nickte. »In Parallelklassen.«
»Damals habe ich ihn angehimmelt, während er mich nur für eine gute Freundin hielt, mit der er halt mal in die Falle hüpfte, wenn wir beide gerade keinen anderen hatten. Er hat mir jetzt erzählt, er habe gar nicht mitbekommen, dass ich ihn anhimmelte. Männer«, seufzte sie. »Auch wieder geschlechtsgerechtes Verhalten. Immerhin war ich mir meiner Rolle bewusst und nahm halt an Brosamen mit, was ich kriegen konnte. Seit es diese neuen Medien gibt, habe ich ihn hin und wieder gegoogelt und irgendwann bei Wer-kennt-wen gefunden. Tatsächlich war ich es, die immer wieder angerufen hat. Bis er im Februar mit dieser Liste verschwundener Frauen und einem unerkannten Serienmörder bei mir vor der Tür stand, die bei ihm im Amt kein Mensch ernst nahm. Wissen Sie, wie er darauf gekommen ist?«
Prinz hatte sein gefährliches Lächeln im Gesicht. »Er ist selbst ein Ewiger Anbeter. Irgendwo gibt es eine Frau, der er dauernd hinterherläuft. Und auch die sieht allen diesen Opfern ähnlich.«
Dr. Bläsius musterte ihn. Dann nickte sie. »Er hatte auf dieser neuen, na ja, Stelle nicht viel anderes zu tun, als sich Vermisstenakten anzusehen. Die erste legte er nur beiseite, weil das Foto ihn an eine Frau erinnerte, der er, wie Sie das ganz richtig ausdrücken, dauernd hinterherläuft. Eine Schauspielerin vom Staatstheater Saarbrücken, die seiner Erzählung nach wie Michelle Pfeiffer aussieht. Mit der hatte er wohl als Student mal was. Inzwischen ist ihre Karriere beendet, sie ist Hausfrau und Mutter in Lübeck, er macht oft Urlaub an der Ostsee. Dann entdeckte Matthias eine Zweite, und es gab eine weitere Übereinstimmung: einen Brief, in dem die vermissten Frauen verlangen, man solle nicht nach ihnen suchen, sie wollten mit einem neuen Mann im Ausland ein neues Leben beginnen. Matthias suchte im Computer zusätzlich nach ›Brief‹ und fand acht weitere. Nur die Ukrainerin hat keinen geschickt, und wir wissen inzwischen, dass auch der Mann der Slowakin keinen erhalten hat.«
»Das Sprachproblem?«, fragte Professor Rind.
»Gut möglich. Wenn der Entführer die Sprache nicht oder nur oberflächlich kann, würde er versteckte Hinweise nicht bemerken. Wie dem auch sei. Matthias ist ein
Weitere Kostenlose Bücher