Der schlaue Pate
erfolgreicher war als alle anderen … Ich muss allerdings sagen, dass ich das, was sich meinem Unterbewusstsein da aufdrängte, bis heute nicht in Gedanken gefasst habe.«
Sie spielte mit der Zigarettenschachtel und schwieg.
Professor Rind wollte ihr Zeit geben, doch Andreas konnte sich schließlich nicht mehr zurückhalten.
»Was ist heute passiert?«
Es dauerte noch eine Weile, bis sie sehr gefasst antwortete.
»Als am Samstag diese Fotos durch die Medien gingen, rief ich ihn an. Er war im Urlaub. In Nizza.«
Prinz konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, verbarg es mit der Hand.
Dr. Bläsius blickte ins Leere und bekam das nicht mit. »Ich sagte ja schon, dass er bei Vernehmungen nicht gut ist, seine Persönlichkeit lässt das nicht zu. Er weiß es selbst, deshalb überlässt er Vernehmungen meist anderen. Wenn er es doch mal selber macht, passiert so was wie gestern mit Ihrem Mandanten. Bis der Experte aus Wiesbaden eintraf, hat er es mir überlassen. Er hat sorgfältig darauf geachtet, dass Miriam Bosch ihn überhaupt nicht zu Gesicht bekommt. Er war immer in einem Nebenraum, sah es sich auf einem Monitor an.«
Prinz ließ die Hand sinken. »Ich verstehe. Sie wollen uns bitten, eine Bedingung zu stellen. Wir lassen uns nur auf die inoffizielle Gegenüberstellung ein, wenn er selbst neben Baginski steht. Anders als wir anderen haben die beiden nämlich ungefähr die gleiche Statur.«
Dr. Bläsius sah ihn an.
»Klarheit«, sagte sie. »Ich will endlich Klarheit haben.«
32.
Kriminaldirektor Karras hatte sich am Telefon gegenüber Dr. Bläsius geziert, sodass schließlich Prinz übernahm und ihm ein klares Entweder-oder an den Kopf knallte. Dann war er allerdings sofort einverstanden.
Als Baginski eintraf, sagte er zu Dr. Bläsius, er freue sich sehr über diese unverhoffte Gelegenheit, den beschämenden Verdacht so schnell aus der Welt schaffen zu können.
Wie mit Karras vereinbart, stiegen Prinz, Andreas, Ollie und Baginski in die fensterlose Ladefläche des weißen Sprinters, um sich von Jörg und Dirk zu einem Waldstück in der Nähe der Autobahnausfahrt Breuna bringen zu lassen, wo sie auf Karras warteten, der mit seinem Wagen allein dorthin kommen sollte. Auch Karras sollte hinten in den Sprinter steigen, Dirk seinen Opel Ampera aufs Gut fahren.
Die drei anderen Wagen mit den übrigen BKA -Leuten, zwei französischen Polizisten sowie Miriam Bosch und ihrem Mann fuhren bereits in Warburg von der A44 ab und über die B7 bis zu der Abzweigung zu den Gutshöfen im Warmebachtal.
Da inzwischen wieder Sommerzeit herrschte, war es noch taghell, als der Konvoi aus Lippstadt gegen halb sieben auf den Innenhof von Gut Holdorf rollte. Die Wagen waren mittelgroße, ältere Opel in unauffälligen Farben.
Dr. Bläsius stellte Desirée, Ingrid und Professor Rind reihum vor. Die beiden französischen Polizisten waren ein älterer Mann, der Commissaire, und eine Frau um die dreißig, die als Lieutenant vorgestellt wurde und ein bisschen Deutsch konnte. Beide fröstelten, sie waren zu luftig angezogen für das kalte Wetter hier. Der Vernehmungsspezialist des BKA war ein dicker, väterlich wirkender Hauptkommissar, dem man anmerkte, dass er sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ.
Vier weitere, drei Männer und eine Frau, Ende zwanzig bis Mitte dreißig, Kommissare und Oberkommissare, waren Karras’ Untergebene aus der Vermisstenstelle. Desirée, Ingrid und Professor Rind machten sich nicht die Mühe, sich all die Namen zu merken.
Miriam Boschs Mann, ein langer Schlaks mit Glatze und Brille, dessen Gesicht wirkte, als wäre es eigentlich zu fröhlichem Dauerlächeln gemacht, war sorgenzerfressen und hatte einen Ausdruck, in dem Erleichterung und Beschützerinstinkt miteinander kämpften. Er legte sofort seiner Frau einen Arm um die Schultern, die andere Hand an ihren Oberarm.
Miriam Bosch selbst war in einen Wintermantel gehüllt und hatte die Kapuze über den Kopf gezogen. Sie war gar nicht so viel kleiner als ihr Mann, mit breiten Schultern offenbar recht starkknochig gebaut, aber ihre Haltung war gebeugt, das auf dem Foto recht attraktive Gesicht bleich, eingefallen und völlig abgezehrt, der hektisch, furchtsam herumhuschende Blick glanzlos. Sie sagte kein Wort, schüttelte als Einzige keine Hände.
»Wir alle können uns auch nicht annähernd vorstellen, was Sie durchgemacht haben, Frau Bosch«, sagte Ingrid, wie immer gesellschaftlich jeder Situation gewachsen.
Miriam
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