Der schlaue Pate
Woche.«
Sophie nickte. »Danach habe ich mir so was schon gedacht. Er hat geschrieben: ›Du bist bestimmt keine Mörderin, denn das ist etwas völlig anderes. Glaub mir, damit kenne ich mich aus. Du bist eine phantastische Mutter, was Du damals gar nicht hättest sein können. Du hast damals das Richtige getan, und Du tust jetzt das Richtige. Ich liebe Dich und werde Dich immer lieben, egal wie viele Kinder Du noch von wie vielen Männern bekommen wirst.‹ Ich habe stumm geweint, genau wie jetzt. Danach wusste ich, dass er es nicht gewesen sein konnte. Aber ich dachte, es wäre vielleicht mal eine Abtreibung gewesen. Dass sie vom Gymnasium geflogen ist, wusste ich ja schon.« Sie schüttelte den Kopf. »Vier, die erste mit fünfzehn, mit sechzehn Alkoholikerin. Was sind wir heute alle brav, was?«
Desirée lächelte. »Das denke ich auch manchmal. Meine Mutter war auch ganz schön wild und mein Vater mit sechzehn das erste Mal im Knast.«
Sophie starrte sie an. Dann kehrte sich ihr Blick nach innen. »Die ganze Geschichte von ihm und meiner Mutter. Gibt es das als Text?«
»Nein, aber wir haben es aufgenommen.«
»Kann ich es hören?«
»Wenn du wirklich willst. Zeigst du mir dafür seine Briefe? Ich würde mir auch gern eure Familienalben und all so was ansehen.«
Sophie lächelte. »Du bist gut, oder? Du arbeitest hier, und du bist gerade scheiße erfolgreich.«
Baginski hockte im Salon des Guts niedergeschlagen in einem Sessel und sagte immer wieder: »Ich hatte das tatsächlich vollkommen vergessen.«
Andreas ging auf und ab und sagte: »Verdammt, verdammt, verdammt.«
Spohr hing wie ein Häufchen Elend ebenfalls in einem Sessel und schüttelte über sich selbst den Kopf: »Seine Fingerabdrücke an der Tasse. Wie konnte ich das nur übersehen?«
Ingrid fehlten die Worte, was fast nie vorkam. Ollie rauchte.
Prinz sagte gerade: »Nun beruhigt euch mal wieder«, als sein Handy klingelte. Er meldete sich mit seinem üblichen knappen »Bitte«, hörte eine Weile zu, sagte: »Na bitte«, unterbrach die Verbindung. »Das war Desirée. Es hat geklappt. Sie besucht am Samstag Sophie zu Hause, wenn der Ägypter nicht da ist.«
»Davon will ich gar nichts wissen«, zischte Andreas.
»Jetzt erzähl endlich, was eigentlich passiert ist.«
Andreas holte tief Luft, ließ sich in einen Sessel sinken und zündete einen Zigarillo an. »Sie haben bei seiner Einlassung letzte Woche gemerkt, dass ihre Anklage nicht so wasserdicht ist, wie sie glaubten. Das haben Sie wirklich super gemacht, Herr Baginski. Auch Ihre Antworten heute und Ihr Tränenausbruch waren großartig. Bis zu der verdammten Tasse.«
»Ich hatte das tatsächlich vollkommen vergessen«, wiederholte Baginski.
»Tja. Kann passieren. Also haben die Staatsanwälte sich zwei Fragen gestellt: Was für eine alternative Theorie kann die Verteidigung aufstellen, angesichts der Tatsache, dass es keinerlei Spuren möglicher anderer Täter gibt? Der Schluss, dass es Profis gewesen sein mussten, war ebenso naheliegend wie die Vermutung eines Racheakts. Profis und Rache, das bedeutet, genau wie dieser Krieg gesagt hat, organisiertes Verbrechen oder Geheimdienste. Ich wette, dann haben sie etwas getan, wozu wir ohne Beweisantrag keine Möglichkeit hatten, und sie wussten, wir hatten keinen gestellt. Weil wir ja wussten, wer es war. Sie haben sich die Akten sämtlicher Ermittlungs- und Hauptverfahren angesehen, an denen Sie beteiligt waren, und außer dem eingestellten Verfahren gegen die Crotones in Melsungen gab es nichts in dieser Richtung. Aber das reichte ihnen nicht, also sind sie noch mal gründlichst alles durchgegangen.«
Andreas schlug eine Akte auf. »Und fanden es ganz hinten in den Akten unter ›Sonstiges‹, Band sieben, Blatt zweihundertdreiundneunzig. Auf unzähligen Seiten wird alles aufgeführt, was in der Laube sonst noch gefunden worden war. Inhalt des Schranks. Über hundert ganz banale Gegenstände, Teller, Kochtöpfe, Besteck, ein Dutzend Tassen, fünf davon mit ›Rückständen einer alkoholischen Flüssigkeit‹. Und an einer Tasse ›Fingerabdrücke der Geschädigten und des Beschuldigten‹.«
Spohr schüttelte den Kopf. »Wie konnte ich das nur übersehen?«
»Weil es unter vermutlich nicht tatrelevanten Sachen vergraben war in einer Lawine belangloser Details. Vielleicht haben sie es absichtlich vergraben, um etwas in der Hinterhand zu haben, vielleicht hat die Anklage diesen Umstand tatsächlich, wie behauptet, für belanglos
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