Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
Es waren zwei ehemalige Schulkameraden, die von einer Bar nach Hause fuhren und ganz zufällig vorbeikamen. Wenn sie nicht aufgekreuzt wären … ich will gar nicht daran denken.«
»Danken wir dem Himmel, dass er dir diese Retter geschickt hat! In diesem Land können wir nicht mehr leben. Glaub mir, wir werden einen Weg finden, hier herauszukommen! Jetzt nimm erst einmal ein heißes Bad, und ruh dich aus.«
Zutiefst erschüttert sah sie nun ein, dass der Weg zur Arbeit ein zu großes Risiko barg. So beschloss sie schweren Herzens zu kündigen. In der folgenden Woche litt sie immer wieder unter Albträumen, in denen sie entführt wurde. Sie konnte nicht mehr essen und brach ohne Grund in Tränen aus. Ihre Stimmung schwankte zwischen Wutausbrüchen und Apathie. So hatte ich meine Tochter bisher nicht gekannt. Sie litt unter einem schweren Trauma und brauchte Zeit und Aufmerksamkeit, um es zu bewältigen.
Norah kümmerte sich kaum noch um das Leben um sie herum. Ich spürte, dass sie immer unglücklicher wurde, und machte mir große Sorgen um sie.
Es schien unmöglich, das Land mit der ganzen Familie zu verlassen. Doch Norah hätte ausreisen können, da sie volljährig war. Ich schlug ihr diese Möglichkeit vor.
»Ich will nicht allein fortgehen. Bei dem Gedanken, dass ihr noch hier seid, könnte ich nicht glücklich sein. Ich will, dass wir alle zusammen dieses Land verlassen!«, antwortete sie und sah mir fest in die Augen.
Aber ein Unglück kommt selten allein …
Der Nachmittag verlief ruhig. Ich lag auf meinem Bett und spielte mit Zacharias, während Norah und Melissa in ihrem Zimmer lasen. Hussein saß rauchend auf dem Balkon, und die Zwillinge spielten in der Nähe des Hauses Ball.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und wir hörten Ryan schreien:
»Papa! Mama! Kommt schnell! Ein böser Mann mit Bart hat Elias geschnappt. Er will ihm den Kopf abschneiden!«
Hussein und ich stürmten aus dem Haus, um unseren Sohn zu verteidigen. Elias lag zusammengekauert auf dem Boden. Mit angstvoll aufgerissenen Augen starrte er uns an, ohne uns wahrzunehmen. Wie erstarrt verharrte er in dieser Position und sagte kein Wort. Wir untersuchten ihn am ganzen Körper, um letztlich festzustellen, dass er nur eine kleine Schramme am Hals hatte. Sein Vater nahm ihn auf den Arm, und ich streichelte seine Stirn.
»Papa und Mama sind jetzt bei dir, Elias! Sprich mit uns! Sag doch etwas! Antworte deiner Mama, mein Liebling!«
Nichts. Schweigen. Elias reagierte nicht.
Als Norah ihn so sah, rannte sie weinend in ihr Zimmer.
Ryan erzählte uns, was vorgefallen war.
»Elias und ich spielten mit dem Ball. Dann ist der Ball zu einem alten weißen Auto gerollt, das in der Nähe parkte. Als Elias den Ball aufheben wollte, stieg ein schmutziger Mann mit Bart aus dem Auto. Er packte den Kopf von Elias, und dann habe ich gesehen, wie er ihm ein Messer an den Halssetzte. Er brüllte: › Sag deinem Vater und deiner Mutter, dass ich dich beim nächsten Mal schlachte wie ein Schaf. ‹ Elias begann zu schreien, und da bin ich schnell zu euch gerannt.«
Nun konnten wir das Verhalten von Elias besser verstehen. Um sicherzugehen, dass er keine weiteren Verletzungen hatte, brachten ihn Hussein und Norah ins Krankenhaus. Es tat meiner Tochter gut, ihren Bruder zu trösten. Das lenkte sie von ihrer eigenen Verzweiflung ab.
Der Angriff auf Elias rief die Erinnerung an ihr eigenes furchtbares Erlebnis wieder wach. Sie war zutiefst erschüttert, denn sie liebte ihre kleinen Brüder über alles.
Während sie unterwegs waren, nahm ich Ryan in die Arme und erzählte ihm Märchen, um ihn abzulenken. Ein paar Stunden später teilte Hussein mir mit, Elias habe zwar einen Schock erlitten, werde ihn aber mit der Zeit überwinden. Gott sei Dank!
13. Ausnahmezustand
Diese drei Angriffe innerhalb weniger Monate – zuerst gegen Norah und nun gegen Elias – machten mir klar, dass wir nicht länger in diesem Land bleiben konnten. Ich durfte keine Ausflüchte mehr suchen und meine Pläne in die ferne Zukunft verschieben. Solange nur ich die Zielscheibe der Drohungen gewesen war, hatte ich alles ertragen. Doch jetzt war ich zu allem bereit, um das Leben meiner Kinder zu verteidigen. Ich spürte, dass ich handeln musste!
»Mein Gott! Ich kann nicht mehr! Meine Kinder schweben in Lebensgefahr. Die Angst bringt sie noch um den Verstand! Ich will, dass sie ihre Lebensfreude wiederfinden. Hilf uns, eine Lösung zu finden, Hussein! Ich muss mit den Kindern
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