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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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keinen Verdacht zu erregen. Schweigend begaben wir uns zur Abflughalle.
    Erst dort brachen wir in Jubel aus. Wir lachten und weinten durcheinander und umarmten die Kleinen. Norah lieferte uns eine Kostprobe ihrer schauspielerischen Fähigkeiten. »Hmmm! Wo ist der Vater der Kleinen?«, äffte sie den Zöllner nach. »Nun gut! Schönen Urlaub! Verbringen Sie viele wunderbare Jahre fern von unserem Land!«
    Dann kicherte sie schelmisch, und ich freute mich, endlich wieder ihr Lachen zu hören.
    »Mama, wenn du wüsstest, wie glücklich ich bin! Ich fühle mich jetzt schon frei und voller Energie!«
    Das Flugzeug brachte meine Kinder und mich in die Freiheit zurück. Endlich wurde mein Traum wahr! Die Frau, die so lange die Tyrannei der Männer ihres Landes erdulden musste, war nun frei! Wie ein Schmetterling, der sich aus seinem Kokon befreit, flog ich davon.
    Meine drei Kleinen schliefen während des gesamten Fluges, Melissa strahlte, und Norah blickte gedankenverloren durch die Fensterluke.
    Aber jetzt, da der Schmetterling seinem Kokon entschlüpft war, musste er überlegen, wie er sich ernähren, wo er sich ausruhen sollte. Wohin sollten wir uns in Paris wenden? Ich hatte nicht viel Geld bei mir. Wir konnten einmal im Hotel übernachten, aber danach … Ich hatte keine Ahnung!
    Das Flugzeug setzte zur Landung an. Jetzt musste ich die Kleinen auf den Ausstieg vorbereiten.
    »Aufwachen! Jetzt sind wir in Frankreich. Ein neues Leben beginnt für uns, wir werden hier glücklich sein!«, rief ich ehrlich überzeugt.
    »Mama, werden wir in Frankreich auch ein schönes Haus haben? Hat jeder sein eigenes Bett?«, wollte Ryan in seiner kindlichen Unschuld wissen.
    »Nein, mein Liebling! Nicht heute Abend! Aber irgendwann werden wir ein schönes Haus haben, in dem jeder sein eigenes Bett bekommt!«
    »Wo schlafen wir denn heute Abend, wenn wir kein Haus haben?« Mit einem Mal wirkte mein Sohn sehr beunruhigt.
    »Wir schlafen in einem Hotel.«
    »Was ist ein Hotel?«, bohrte er weiter.
    Norah nahm ihn in den Arm und erklärte ihm, dass ein Hotel ein großes Haus mit vielen, vielen Zimmern sei, in denen jeweils mehrere Betten stünden. Nachdem Ryan die Erklärung begriffen hatte, gab er sie gleich an seinen Zwillingsbruder weiter.
    Reibungslos passierten wir den französischen Zoll. Als wir den Flughafen verließen, ließ sich Norah auf die Knie sinken und küsste den Boden. Mit dieser feierlichen Geste brachte sie alle Gefühle zum Ausdruck, die auch mein Herz erfüllten: Dankbarkeit, Hoffnung und Freude auf dieses Land, das uns nun empfing.
    »Endlich sind wir frei, Mama!«, jubelte meine große Tochter. »Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, dass wir hierher zurückkommen würden!«
    Sie strahlte und weinte vor Glück.
    Ein Taxi brachte uns zu einem schönen, komfortablen Hotel in einem Pariser Vorort. Der Preis war mir an diesem ersten Abend gleichgültig, denn meine Kinder sollten ihren ersten Tag hier genießen. Heute ist heute, so lautete jetztmeine Devise. Anders hätte ich das alles nicht überstehen können.
    Die drei Kleinen vergnügten sich damit, durch die Flure zu rennen und in unseren beiden aneinandergrenzenden Hotelzimmern Verstecken zu spielen. Später vergnügten sie sich in dem Schaumbad, das ich ihnen eingelassen hatte. Ihre Schwestern waren hinausgegangen, um etwas zu essen zu holen und einen Eindruck von dem Land zu gewinnen, in dem sie geboren worden waren.
    Diese Sorglosigkeit konnte nicht lange währen. Ich wusste, dass der morgige Tag mich vor die Aufgabe stellen würde, hungrige Mäuler zu stopfen und eine Bleibe zu finden. Wie sollte ich das nur schaffen? Mutlosigkeit stieg in mir auf. Doch ich würde meine Sorgen für mich behalten, um den Großen die Freude nicht zu verderben. Ich wollte mein Versprechen wahr machen, dass in Frankreich alles besser werden würde! Ich durfte nicht daran zweifeln, dass ich die richtige Entscheidung für meine Kinder getroffen hatte!
    Nachdem die Mädchen zurück waren, setzten wir uns zum Essen an den Tisch. Der Blick in die strahlenden Gesichter meiner Kinder gab mir den Mut zurück, mich den Herausforderungen der kommenden Tage zu stellen.
    Gleich morgen Früh würden wir eine Behörde aufsuchen, die Menschen in schwierigen Situationen unterstützte. Mit diesem Vorsatz konnte ich ruhig schlafen. Morgen war ein neuer Tag.
    Bei der Sozialbehörde warteten wir, bis wir an der Reihe waren. Nachdem eine Stunde verstrichen war, begannen die Zwillinge herumzutoben,

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