Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
jeden Tag unter fadenscheinigen Gründen zu spät nach Hause kam! Ich erinnerte mich an den Abend, als er mich bei meiner Niederkunft im Krankenhaus allein gelassen hatte. Hatte er wirklich zum Dienst gemusst, oder war er in die Arme einer anderen geeilt? Das werde ich niemals herausfinden. Er gestand mir, dass er eine Geliebte hatte, an der ihm viel lag und von der er sich nicht trennen wollte. Dieser Abend läutete das Ende unserer Beziehung ein. Allmählich entfernte ich mich immer weiter von ihm.
Zuerst beschuldigte ich ihn aufs Heftigste wegen seiner Untreue, dann aber machte ich mir selbst Vorwürfe. Ich haderte mit mir, dass ich es nicht verstanden hatte, meinen Mann bei mir zu halten. Ich warf mir meine Launenhaftigkeit und Empfindlichkeit vor. Er war fremdgegangen, weil er meine ewigen Ängste nicht mehr ertragen konnte. Ich wagte es nicht, ihn selbst nach den Gründen für seinVerhalten zu fragen. Stattdessen grübelte ich unentwegt und quälte mich damit, die verschiedensten Motive in Betracht zu ziehen.
Als ich eines Abends wieder einmal auf Norah wartete und Hussein bereits zu Bett gegangen war, klingelte das Telefon.
»Eine Hure kann nur eine Hure zur Welt bringen. Deine Bastardtochter wird in eine Straßensperre von uns geraten, und du wirst sie nie wiedersehen!«
Ich warf den Telefonhörer auf die Gabel, als hätte er mir die Hand verbrannt. Da Norah sich bereits verspätet hatte, konnte ich meine Angst kaum noch bezähmen. Unruhig ging ich im Haus auf und ab, dann versuchte ich fernzusehen. Aber es gelang mir nicht, mich zu konzentrieren. Ich saß auf der Terrasse, als ich endlich die Tür ins Schloss fallen hörte. Gott sei Dank, Norah stand unversehrt vor mir, doch sie brach sogleich in Tränen aus, sodass ich sie trotz meiner Ungeduld und Angst erst einmal in die Arme schloss und sanft wiegte. Auf keinen Fall wollte ich sie durch voreilige Beschuldigungen kränken.
»Mama, noch nie in meinem Leben habe ich so furchtbare Angst gehabt!«
»Beruhige dich, und dann berichtest du mir, was geschehen ist.«
Sie atmete einige Male tief durch. Dann fühlte sie sich stark genug, um mir alles zu erzählen:
»Der Fahrer des Busses hat mir das Leben gerettet, Mama. Ein paar Meter vor einer Straßensperre hat er gemerkt, dass sie von Terroristen errichtet worden war. Er rief mir zu, ich solle mich rasch unter den Sitzen verstecken. Samir und Amine forderte er auf, sich auf die Sitze über mir zu setzen und ihre Jacken über die Knie zu breiten, damit ich nicht zu sehen wäre. Ich lag also auf dem Boden und presste mich unter die Bank. Mein Herz schlug wie verrückt. Der Bus fuhrlangsamer und blieb dann stehen. Ich hielt den Atem an, um genau zu hören, was um mich herum vorging, denn sehen konnte ich ja nichts. Plötzlich fragte eine erregte Stimme, ob sich keine Mädchen im Bus befänden. Mir war, als würde die Zeit stillstehen. Ich flehte Gott um Hilfe an. Dann hörte ich, wie man sich im Bus zu schaffen machte, aber ich konnte die Geräusche nicht klar einordnen. Mir war zugleich heiß und kalt, denn ich befürchtete jetzt das Schlimmste. Plötzlich erkannte ich in dem allgemeinen Lärm um uns herum eine Polizeisirene, die rasch näher kam. Gott hatte mich erhört. Die Terroristen ergriffen die Flucht. Ich konnte wieder atmen, wagte mich aber nicht aus meinem Versteck heraus. Ich war noch einmal davongekommen. Ich dankte Gott, dem Busfahrer und meinen Freunden.«
Jetzt warf sie sich wieder in meine Arme und schluchzte erneut. Dieser Vorfall führte uns unmissverständlich vor Augen, welche Gefahren tatsächlich auf den Straßen lauerten. Meine Ängste steigerten sich ins Unermessliche. So konnte es nicht weitergehen!
Norah schluchzte immer noch, aber sie bebte nicht mehr am ganzen Körper.
»Was für eine Angst musst du gehabt haben! Ich möchte, dass du nicht mehr arbeiten gehst. Sobald du nur eine Minute zu spät nach Hause kommst, werde ich denken, dass Terroristen dich entführt haben!«
»Ich muss arbeiten, und du weißt sehr gut, dass ich nicht zu Hause bleiben will. Aber ich werde um eine Änderung meiner Arbeitszeiten bitten, denn tagsüber sind die Straßen besser bewacht. Das wird für uns beide das Beste sein.«
Am nächsten Morgen blieb Norah zu Hause. Offenbar hatte ihr der Vorfall mehr zugesetzt, als sie sich anmerken lassen wollte. Sie telefonierte mit ihrem Arbeitgeber, und er war damit einverstanden, dass sie nur noch tagsüber arbeiten würde.
Noch einmal sprach sie
Weitere Kostenlose Bücher