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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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ausgestattet. Eines davon neigte sich bedenklich zur Seite. Das Zimmer war genauso schmutzig wie das andere. Die Zwillinge tauften das Haus Hotel Kacke und prusteten jedes Mal los, wenn sie den Namen nannten.
    Im Hinblick auf unsere Sicherheit war es das Beste, die Nacht gemeinsam in dem größeren Zimmer zu verbringen. Elias schlief sehr unruhig, sodass ich die ganze Nacht über kein Auge zutat und beim leisesten Geräusch im Flur aufschrak.
    Die Mädchen teilten das schiefe Bett mit Zacharias, und Melissa fiel während der Nacht dreimal auf den Boden. Als wir am nächsten Morgen aufwachten, klagten die Mädchen über Rückenschmerzen und hatten einen steifen Hals.
    Die beiden bevorstehenden Tage verhießen nichts Gutes. Die Zwillinge wollten das Hotel Kacke verlassen und wieder nach Hause zurückkehren. Dabei hatte unser Aufenthalt in Frankreich doch gerade erst begonnen! Es entmutigte mich,sie so unglücklich zu sehen. Das nahm mir alle Kraft. Aber meine beiden Töchter bestärkten mich in meiner Entscheidung und sprachen mir Mut zu.
    Um uns die Zeit zu vertreiben und auf andere Gedanken zu kommen, gingen wir mit den Jungen spazieren, aber die Rückkehr ins Hotel fiel ihnen umso schwerer.
    »Mama, wir wollen nach Algerien zurück, zu Papa.«
    Bei dieser Bitte blutete mir das Herz. Ich nahm einen nach dem anderen in den Arm und erklärte ihnen, warum wir hierbleiben mussten. Ich versprach ihnen, dass wir hier nur noch zwei Nächte durchhalten mussten und anschließend in ein viel schöneres Haus kämen!
    Ryan fragte mich ein weiteres Mal:
    »Werden wir ein richtiges Haus haben, Mama?«
    Was sollte ich darauf antworten? Bestimmt spürte Ryan, dass mich seine Frage bis ins Mark traf. Was würde nur aus uns werden?
    Ich wollte ihm nichts vormachen:
    »Irgendwann werden wir an einem Ort wohnen, der unser Zuhause ist. Wir werden vor niemandem mehr Angst haben und alle glücklich zusammenleben.«
    In der zweiten Nacht klopfte es an der Tür. Leise verlangte eine Männerstimme, wir sollten öffnen. Wir wagten uns nicht zu rühren und starrten einander an. Nachdem er seine Aufforderung mit Nachdruck wiederholt hatte, entfernte er sich. Aber an Schlaf war nun nicht mehr zu denken, so sehr saß mir der Schrecken noch in den Gliedern.
    Unser Aufenthalt endete nach drei leidvollen Tagen für die Kleinen und drei unbequemen Nächten für die Großen, in denen ich vor Angst kaum ein Auge zugetan hatte.
    Ich rief meine Sozialarbeiterin an, aber zu meiner großen Überraschung hatte sie zwei Tage Urlaub genommen. Also erklärte ich ihrer Kollegin, dass ich jetzt keine Bleibe mehr für mich und meine fünf Kinder hätte.
    »Leider bin ich mit Ihrem Fall nicht vertraut. Ich kann Ihnen nur raten, sich an das Rote Kreuz zu wenden, um eine Unterkunft für die Nacht zu finden. Danach wenden Sie sich wieder an Ihre Sozialarbeiterin.«
    Wie sollte ich dies meinen Kindern beibringen?
    An diesem Tag regnete es in Strömen! Zacharias hatte Fieber, und Elias hustete wegen seines Asthmas. Durchnässt und erschöpft standen wir mit all unserem Gepäck auf der Straße. Das Rote Kreuz würde uns erst am Abend abholen. Wir mussten einen Tag ohne Essensmarken verbringen.
    McDonald’s diente uns als Zuflucht. Danke! Es waren noch nicht einmal zwei Stunden vergangen, da wollten die Jüngsten wieder nach Hause! Zacharias, dessen Fieber noch gestiegen war, schlief den ganzen Tag über in seinem Buggy.
    Noch nie hatte ich einen Abend so sehr herbeigesehnt. Endlich würden wir uns ausruhen können. Ich hatte mit dem Roten Kreuz einen Treffpunkt ausgemacht: Sie sollten uns an einer bestimmten Bushaltestelle auflesen.
    Der große weiße Kombi hielt direkt vor der Haltestelle. Während wir einstiegen, sahen uns die wartenden Leute stirnrunzelnd zu.
    »Schaut uns nicht so an! Ihr habt ein Zuhause, wir nicht!«
    Zwei nette junge Männer begrüßten uns. Einer von ihnen war Krankenpfleger. Nachdem er den fiebernden Zacharias eingehend untersucht hatte, stellte er die Frage, die ihm wohl schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte:
    »Wie kommen Menschen in eine solche Lage?«
    Ich erzählte den beiden in aller Kürze unsere traurige Geschichte. Noch nie zuvor waren sie mit einem solchen Schicksal konfrontiert worden! Sie gaben mir Medikamente für Zacharias und rieten, den Notdienst zu rufen, falls sich sein Zustand im Laufe der Nacht verschlimmern sollte.
    Da unsere Geschichte den jungen Pfleger sehr berührt hatte, bekam ich von ihm eine Telefonnummer, über

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