Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
verstehe ich, warum Papa und Mama sich so gefreut haben, dich dorthin zu schicken. Farid und ich haben die ganze Zeit gerätselt, was es mit deiner Reise auf sich hat.«
Nun gesellte sich auch Farid zu uns. Als er mich nach meiner Zeit in Paris fragte, gab ihm mein jüngerer Bruder zu verstehen, dass er besser schweigen solle.
Doch damit war seine Neugier erst recht geweckt. »Was ist geschehen, Samia?«, fragte er. »Hast du etwas Dummes angestellt? Wenn es so ist, dann möchte ich jetzt nicht mit dir tauschen …«
»Sei still!«, schnitt Kamel ihm das Wort ab. »Samia hat nichts Dummes angestellt. Sie wollen sie verheiraten.«
»Was soll das denn heißen? Du bist doch viel zu jung! Wer ist denn der Glückliche?«
»Ich kenne ihn nicht und habe nicht einmal gewagt, ihn anzusehen, als er mich besucht hat.«
»Hast du eingewilligt?«, wollte Kamel jetzt wissen. Er sah mich gleichermaßen überrascht und erschrocken an.
»Es ist ganz egal, ob ich einwillige oder nicht, denn diese Heirat ist beschlossene Sache. Sie wollen mich so rasch wie möglich loswerden, und dann soll ich fern von euch leben.«
Bei diesen Worten kamen mir die Tränen, und ich schluchzte so heftig, als müsste ich sie jetzt sofort verlassen.
»Es gibt für jedes Problem eine Lösung«, versuchte Farid mich zu trösten. »Ich werde mit Mama reden und sie zur Vernunft bringen.«
Meine Brüder waren gerade gegangen, als mein Vater nach Hause kam. Ich fürchtete mich davor, ihn wiederzusehen, und mein Herz schlug so laut, als hätte ich tatsächlich etwas Dummes angestellt. Würde er mich nach meiner Frankreich-Reise fragen? Oder nach meiner Meinung zu der arrangierten Heirat? Was sollte ich ihm antworten? Vor dieser Begegnung mit meinem Vater fühlte ich mich so, als müsse ich Gott gegenübertreten!
Ich vergewisserte mich, dass meine Haare ordentlich zusammengebunden waren und meine Kleidung weder zu eng noch zu kurz war. Mein Vater hatte immer von mir verlangt, dass ich meine Weiblichkeit verbarg, und nun hatte er es mit einem Mal furchtbar eilig, mich als verheiratete Frau zu sehen. Wie immer saß er allein am Tisch und wartete darauf, dass meine Mutter ihm wie ein Dienstmädchen das Essen servierte. Als ich auf ihn zutrat, um ihn zur Begrüßung zu umarmen, wies er mich zurück. Er gab mir lediglich die Hand, als begrüße er eine Fremde.
»Wie ist deine Reise verlaufen? Ich hoffe, gut, denn das war die erste und letzte Reise, die ich dir bezahle. Dafür wird in Zukunft dein Ehemann aufkommen.«
»Ja, danke, Vater«, antwortete ich knapp, denn er hatte seine Frage bereits selbst beantwortet.
»Ich hoffe, du hast immer auf deine Tante gehört.«
»Ja, Vater! Ich habe alles getan, was meine Tante verlangt hat.«
Er hatte mir bereits bedeutet, dass ich gehen könnte, doch nun musterte er mich eingehend. Unruhig senkte ich den Blick.
»Schau mich an.«
Ich hob den Kopf. Mein Herz jagte, und ich flehte zu Gott, dass nichts Schlimmes geschehen möge.
»Hast du Wimperntusche aufgetragen?«
»Nein, Vater! Ich habe nichts aufgetragen«, antwortete ich, und mein Magen krampfte sich vor Angst zusammen. »Ich benutze so etwas nie, das schwöre ich.«
»Komm her! Wisch mit diesem Taschentuch über deine Augen, dann werden wir sehen, ob du die Wahrheit sagst!«
Ich nahm das Taschentuch und wischte über meine Augen. Ich wusste, dass es weiß bleiben würde, denn aus Furcht vor einer Strafe hielt ich mich von jeglichen Kosmetikartikeln fern.
»Gut! Ich bin beruhigt. Ich dachte schon, dass du jetzt auch noch solche verbotenen Dinge benutzt. Sag deiner Mutter, dass sie herkommen soll. Ich muss etwas mit ihr besprechen.«
Er aß weiter, während ich die Botschaft überbrachte. Sofort ließ meine Mutter den Apfel fallen, den sie gerade schälte, und eilte zu meinem Vater. Von der Küche aus konnte ich ihrer Unterhaltung lauschen.
»Wiederhol mir jetzt, was Samia dir erzählt hat«, verlangte mein Vater.
»Sie ist entzückt und dankt dir ganz außerordentlich. Im Grunde weiß unsere Tochter, dass wir nur ihr Bestes im Sinn haben.«
»Was hält sie von Abdel?«
»Sie denkt nur Gutes von ihm. Außerdem hat sie hinzugefügt, dass alles, was ihr Vater beschließt, gut für sie ist. Glaub mir, sie ist eine brave Tochter, die weiß, dass du nicht irgendeinen beliebigen Mann ausgewählt hast.«
»Sie täte gut daran, so zu denken. Wir können uns glücklich schätzen, einen Mann von seinem Niveau gefunden zu haben, der bereit ist, Samia ohne
Weitere Kostenlose Bücher