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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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mich aus. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich einem Mann in die Augen und konnte es kaum fassen, welche Zärtlichkeit ich darin erblickte. Er war so verständnisvoll, so sanft und zartfühlend! Und das mir gegenüber, die bisher der Meinung gewesen war, dass Männer nur brutal und herrschsüchtig sein können! Ich hatte geglaubt, dass es Liebe nur im Film oder im Traum gab! Und nun war ich dabei, mich in einen charmanten und freundlichen Mann zu verlieben. Ach! Hätte ich dieses Glück doch vor meiner Heirat kennengelernt und diese Liebe in all den vergangenen Jahren leben können. Was für eine furchtbare Zeitvergeudung! An diesem Tag wurde mir klar, dassHussein der Mann war, mit dem ich von nun an mein Leben teilen wollte.
    Als wir uns trennten, gestand er mir, dass er noch niemals so für eine Frau empfunden hatte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als mich wiederzusehen. In den folgenden Tagen trafen wir uns heimlich. Bevor ich zu unseren Begegnungen aufbrach, ergriff mich eine solche Angst, dass ich Magenschmerzen bekam.
    Dafür gab es zwei Gründe. Zu der Angst vor meiner Familie kam die Furcht vor den Straßensperren, die die Terroristen errichteten. Diese Gefahr war umso größer, da Hussein Soldat war. Armeeangehörige wurden von den Terroristen als Gottesverräter angesehen. Wurden sie eines solch gottlosen Mannes habhaft, schnitten sie ihm auf der Stelle die Kehle durch und verfolgten darüber hinaus seine Familie. Ich wusste, dass ich mein Leben in Gefahr brachte, aber mein Bedürfnis nach Liebe war größer.
    Erst im Nachhinein wird mir klar, wie naiv und blind mich die Liebe damals machte! Ich stellte mir alles ganz einfach vor: Wenn mein Vater erfuhr, dass ein Mann mich heiraten und die Verantwortung für meine Töchter übernehmen wollte, würde er so erleichtert sein, dass er nur allzu gerne seine Einwilligung gab! Doch da kannte ich meinen Vater schlecht!
    Eines Abends sah ein Nachbar, wie Hussein uns vor dem Haus absetzte. Der Mann starrte uns an. Meine Töchter bekamen Angst und versetzten auch mich in Panik. Wir beratschlagten lange über diese Situation. Hussein war überzeugt, dass ich meinem Vater nach dem Urlaub alles in Ruhe erklären konnte. Anschließend würde er selbst erscheinen und ihn um meine Hand bitten.
    »Ruf mich heute Abend an, und hab keine Angst. Ich bin ganz in der Nähe. Glaub mir, wir werden miteinander leben. Ich werde nicht zulassen, dass dir irgendjemand einHaar krümmt, weder dir noch deinen Töchtern! Hast du verstanden?«
    »Ja, Hussein. Ich rufe dich heute Abend an! Wünsch mir viel Glück!«
    Mein Herz schlug mir bis zum Hals, denn ich fürchtete, dass der Nachbar bereits meine Familie informiert hatte. Hier verbreiteten sich die Neuigkeiten wie ein Lauffeuer, und die Leute schienen sich an dem Leid der anderen zu ergötzen. Oder war es der abergläubische Versuch, das eigene Glück zu bewahren?
    Als wir das Haus erreichten, schienen tatsächlich bereits alle Bescheid zu wissen. Unsere Haut war verdächtig gebräunt, was vermuten ließ, dass wir am Strand gewesen waren. Und da eine Frau nicht allein unterwegs sein konnte, lag der Schluss nahe, dass uns jemand begleitet hatte! Ich hatte es also verdient, dass man mir die Kehle durchschnitt! Ich hatte alle Grenzen des Erlaubten überschritten. Meine Familie konnte mir ein solches Vergehen einfach nicht verzeihen! Ich malte mir das schlimmstmögliche Szenario aus.
    Einmal im Haus angelangt, fühlte ich mich sicherer. Norah war der Meinung, dass wir meine Eltern sofort ins Bild setzen sollten, damit sie die Neuigkeiten nicht von den Nachbarn erführen.
    »Ich werde es ihnen sofort nach ihrer Rückkehr erzählen. Am Telefon kann ich nicht mit ihnen darüber reden.«
    An diesem Abend unterhielt ich mich sehr lange mit meinem Geliebten. Ich bemühte mich, ihm zu erklären, warum ich solche Angst vor meinem Vater hatte. Als ich ihn auf seinen Glauben ansprach, versuchte Hussein mich zu beruhigen. Er war praktizierender Muslim, und es gab keinerlei Grund, warum mein Vater meine Heirat mit ihm ablehnen sollte.
    »Aber du bist Soldat, Hussein. Und die fanatischen guten Muslime betrachten dich nicht als einen wahrhaft Gläubigen. Du giltst als Verräter an der Religion, als Scherge der Regierung. Mein Vater gehört zu den Strenggläubigen, und ich bin sicher, dass er sich der Heirat widersetzen wird.«
    »Ich besitze eine große Überzeugungskraft, wenn es darauf ankommt. Da ich dir vor Gott und den Menschen die Hand

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