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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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eine elende Kreatur geboren wurde. Jetzt sind es drei!«
    Darauf ging die Tür wieder zu. Wir waren allein in dem feuchten, kalten Raum, der als Vorratskammer diente.
    Je reicher die Familie war, desto mehr Lebensmittel waren dort untergebracht. Der Raum, in dem wir uns befanden, war relativ klein. Drei einfache Matratzen lagen auf dem Boden, und ein runder Tisch stand in der Mitte. Es war dunkel, da es kein Fenster gab. Eine einzige, an der Decke angebrachte Glühbirne verströmte ein dämmriges Licht. Sie musste die ganze Zeit über anbleiben, da sonst völlige Finsternis geherrscht hätte.
    Melissa weinte unaufhörlich und schmiegte sich eng an mich, während Norah schwieg und nachdachte. Ich selbst warsehr angespannt und hatte das Gefühl, mich am Rande eines Abgrunds zu bewegen. Mit ihren Fragen sprach Melissa aus, was mich bewegte, doch ich musste meine Angst verbergen.
    »Was wird mit uns geschehen? Wir sind Gefangene und können zu niemandem Kontakt aufnehmen. Warum tun sie so etwas?«
    »Ich weiß es nicht, mein Liebling, aber bald werden wir es erfahren.«
    »Warum war Großmutter so böse zu mir? Ich wollte ihr nur einen Kuss geben!«, jammerte Melissa verzweifelt.
    »Ich weiß, mein Liebling! Großmutter war sicher sehr aufgeregt und hat dann die Geduld verloren! Nimm es nicht so schwer, mein Kleines! Ich bin da, und ich schwöre dir, dass ich euch bis zu meinem letzten Atemzug verteidigen werde! Verflucht seien alle, die euch etwas antun wollen! Vergesst auch nicht, dass Hussein weiß, wo wir sind. Ich bin ganz sicher, dass er uns zu Hilfe kommen wird!«
    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Mir stockte der Atem, und für einen kurzen Augenblick glaubte ich, meine letzte Stunde sei gekommen. Wie ein Ungeheuer tauchte mein Vater vor uns auf:
    »Tritt näher, Tochter des Unglücks! Du hast das Ansehen deines Vaters in den Dreck gezogen, sodass alle sich jetzt über mich lustig machen. Wegen dir ist meine Ehre für immer beschmutzt. Du bist noch nicht geschieden, und schon spazierst du mit einem Soldaten am Strand entlang. Du wagst es sogar, deine beiden verderbten Töchter mitzunehmen. Was glaubst du eigentlich, wo du dich hier befindest? Etwa in Frankreich, wo die Frauen alles tun, was ihnen gefällt, und noch dazu in aller Öffentlichkeit? Falls du es vergessen haben solltest, du bist hier in Algerien, einem muslimischen Land, das seine Sitten und Traditionen pflegt. Wir achten unsere Religion! Ich werde dich töten und mich mit deinem Blut reinigen!«
    Er trat auf mich zu, aber Norah fand gerade noch Zeit, sich schützend zwischen ihn und mich zu stellen. Er schleuderte sie gegen die Wand, um mich dann am Arm zu packen und wegzuzerren. Melissa klammerte sich an mein Kleid. Er schlug ihr heftig auf den Arm, sodass sie losließ und sich verängstigt zusammenkauerte. Dann drückte mein Vater mich zu Boden, stellte einen Fuß auf meinen Magen und löste seinen Gürtel. Es war nicht das erste Mal, dass er mich damit schlug, aber nie zuvor hatte ich eine solche grenzenlose Wut in seinen Augen gesehen. Ich zitterte vor Angst und glaubte, mein Ende sei gekommen, denn ich spürte, dass mein Vater die Kontrolle über sich verloren hatte.
    Er begann auf mich einzuschlagen. Unaufhörlich und erbarmungslos gingen die Schläge auf mich nieder, als sei mein Vater nicht mehr in der Lage aufzuhören. Als sie allmählich schwächer wurden, war nicht etwa seine Wut verraucht, sondern lediglich seine Kraft erschöpft. Jetzt trat er mit den Füßen blindlings auf mich ein.
    Irgendwann spürte ich keinen Schmerz mehr. Meine Mutter kam ins Zimmer.
    »Verausgabe dich nicht so sehr, Ali. Sie ist es nicht wert, dass man sich die Hände schmutzig macht. Ihre Brüder werden glücklich sein, die Aufgabe fortzuführen. Sie warten nur darauf, ihre Ehre zu rächen. Komm mit mir, und überlass die drei Schändlichen sich selbst.«
    Als Norah versuchte, mich zu den Matratzen zu ziehen, bemerkte sie, dass ich mich nicht mehr rührte und das Bewusstsein verloren hatte.
    »Wasser!«, schrie sie so laut sie konnte. »Schnell! Mama ist ohnmächtig!«
    Ihr großer Bruder betrat den Raum, reichte ihr eine Flasche Wasser und warf einen flüchtigen Blick in meine Richtung.
    »Schämst du dich nicht?«, tadelte sie ihn voller Verachtung.
    » Du solltest dich schämen! Die Familie ist entehrt!«
    »Verschwinde, du Verräter! Du bist nicht länger mein Bruder, und ich will dich nicht mehr sehen!«
    Sie benetzte mein Gesicht mit Wasser, und ich

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