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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
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vor, dass jemand achtundfünfzig Radios verpfändet, stimmt’s?«
    »Das war wirklich unvergesslich«, meinte sie. »Und wissen Sie, als Mr. Lessard diese Radios herbrachte, sagte er, dass er das Geld dafür verwenden will, nach New York City zu fahren, sich ein Hotelzimmer zu nehmen und in ein Orchesterkonzert zu gehen. Ich weiß nicht mehr, welches Orchester er meinte.«
    Marlais, in diesem Moment war ich doch ziemlich sauer auf Paulson Lessard, diesen durchtriebenen alten Mistkerl, aber das behielt ich für mich. Ich wollte meinen Zorn nicht an J.P. auslassen.
    Am folgenden Montag kam, wie versprochen, Oliver Tecosky, übrigens ein netter Mann, zu mir ins Hotel. Wir mussten einige Male mit dem Aufzug hinauffahren, bis auch das letzte Radio auf meinem Bett stand. Er nannte mir den Preis, ich zahlte den vollen Betrag, und er ging, nachdem wir in der ganzen Zeit vielleicht zehn Worte gewechselt hatten. Ich machte mir Kaffee, als das Telefon klingelte. Ich dachte mir, es könnte Mr. Tecosky sein, der ein Radio vergessen hätte, aber es war die Hotelbuchhalterin Frances Banner. Sie erinnerte mich, dass ich mit der Miete drei Wochen im Rückstand war. »Das sieht
Ihnen gar nicht ähnlich, Mr. Hillyer«, meinte sie. »Sonst sind Sie – nach meinen Aufzeichnungen – höchstens zwei Wochen im Rückstand.«
    »Na ja, ich habe gerade viel Geld für achtundzwanzig Radios ausgegeben«, erklärte ich.
    »Warum, um Himmels willen?«
    »Darum habe ich mein Konto ein bisschen überzogen. Das heißt, dass ich die Miete noch nicht zahlen kann«, fügte ich hinzu. »Aber ich kann Überstunden machen, und dann zahle ich sofort.«
    »Ich rufe auf Anweisung von oben an, Mr. Hillyer«, erklärte sie mir.
    »Dann hat also Mr. Brockman gesagt, dass Sie anrufen sollen? «
    »Ja, Mr. Brockman«, bestätigte sie. »Der Hotelmanager.«
    »Kann ich ihn bitte sprechen?«
    »Das wird nicht viel nützen, Mr. Hillyer«, erwiderte sie. »Ich habe mich bei anderen Hotels erkundigt, und Mr. Brockman schlägt das Homestead Hotel in der Duke Street vor. Das Zimmer dort ist um zwölf Dollar pro Monat billiger als bei uns, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Das ist keine gute Nachricht«, sagte ich.
    »Es könnte schlimmer sein«, meinte sie. »Mr. Brockman berechnet Ihnen für diesen Monat keine Miete.«
    »Das ist sehr anständig von ihm.«
    »Im Homestead ist schon ein Zimmer für Sie reserviert. Mr. Brockman hat sich erlaubt, das zu erledigen.«
    »Der Grund, warum er dort angerufen hat, ist nicht gerade eine Empfehlung für mich«, sagte ich.
    »So schlimm ist das gar nicht, Mr. Hillyer«, meinte sie. »Sie sind nicht der Erste, für den wir die Sache so lösen. Und die
Hotels in Halifax versuchen einander entgegenzukommen. Soweit es geht.«
    Ich brauchte nur zwei Tage, um überzusiedeln. Ich wohnte jetzt in Zimmer 301 im Homestead Hotel, das zwar ein bisschen schäbiger als das Waverly war, aber mein Zimmer hatte saubere Fenster, und der Schrank bot genug Platz für die Radios. Das Bett hatte eine gute Matratze, und meine Nachbarn neben, über und unter mir waren recht ruhig. Ich hatte zwei Pagen vom Waverly überredet, mir zu helfen, meine Sachen durch die Stadt zu tragen. Ich zahlte ihnen ein Bier im Rigolo’s.
    Eine Woche später kam ich von einem anstrengenden Arbeitstag auf rauer See zurück. Noch in den Arbeitskleidern setzte ich mich an meinen Tisch, aß Heilbutt und grüne Bohnen, die ich mir auf der Kochplatte warmgemacht hatte, dazu Karottenstäbchen, und hörte Corelli, nicht zu laut aufgedreht, als mir plötzlich die Idee kam, dass ich Cornelia Tell anrufen könnte. Vielleicht wollte ich einfach nur die Stimme einer guten Freundin hören, auch wenn es vielleicht nicht viel zu sagen gab. Ich rief in der Telefonzentrale an, und die Telefonistin fragte: »Zimmer 301, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich würde gern mit einer Mrs. Cornelia Tell in Middle Economy sprechen«, sagte ich. »Ich habe die Nummer hier. Soll ich sie Ihnen ansagen?«
    Eine Weile hörte ich gar nichts. Vielleicht war die Telefonistin neu in ihrem Job und wusste noch nicht, wie man ein Ferngespräch herstellte. »Wyatt Hillyer«, sagte sie schließlich, »ich habe Ihren Namen schon im Gästebuch gesehen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich bin’s, Ihre frühere Nachbarin, Reese«, sagte sie. »Reese Mac Isaac.«
    Ich kann dir garantieren, Marlais, ich fiel fast vom Sessel. Es
war nicht so sehr die Tatsache, dass Reese Mac Isaac in Halifax lebte. Ja, ich hatte sie sogar

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