Der Schluessel von Jirunga
klappen.
„Lil. Die Decke!“ , schrie Gerad und ging bereits in die Knie, da die Decke schon Gerads Haare berührte (zumindest kam es ihm so vor, seine Panik war es wohl eher, die ihn in die Hocke zwang). Lil blic k te kurz nach oben. Ihn trennten nur noch wenige Zentimeter bis zur Decke. In wenigen Sekunden würde auch er sich ducken müssen. Das Rad der Zeit lag allerdings nicht auf Kopfhöhe, sondern war etwas niedriger platziert, doch er hatte kaum eine Minute Zeit um die letzten Steine drücken zu können, bis die herabsinkende Decke sie zerquetschen würde. Es könnte eng we r den, soviel war ihm bewusst.
„Halt die Klappe, ich muss mich konzentrieren“, rief er und blic k te wieder auf seine Liste. Er drückte das Symbol der Fische und be o bachte den Stein, der in der Wand versank. Der Widder und der Stier waren die N ächsten, dann folgten Zwillinge und Krebs. Als der si e bente Stein gedrückt war, spürte Lil die Decke an se i nem Kopf. Er ging halb in die Hocke und suchte hektisch nach dem nächsten Sy m bol. Immer mehr Sand rieselte aus den Rändern der Decke, unau f haltsam senkte sie sich dem Boden entgegen. Gerad hustete und würgte, denn der Staub nahm zu und der Raum wurde immer enger. Im wenigen Sekunden würde es aus sein. Ende. Die massive Stei n platte würde sie zerquetschen, wie zwei Käfer. Was für ein schäbiges Ende.
Lil drückte den Stein des Löwen und anschließend den der Jun g frau. Jetzt ging er vollends in die Knie, da die Decke immer näher kam. Die obersten Steine des Rades der Zeit waren bereits von der hera b fallenden Steinplatte verdeckt. Gott sei Dank hatte er diese bereits gedrückt. Gerad schien ein Gebet zu sprechen, denn er murmelte unverständliche Worte vor sich hin. Offensichtlich war er gerade dabei, sich mit seinem Schöpfer zu einigen, wie er nach seinem Tode mit ihm verfahren solle .
Lil hatte mittlerweile (beinahe im Liegen) die Steine der Waage und des Skorpions gedrückt und betete, dass die Zeit für den let z ten Stein reichen würde. Nur noch ein Stein, der letzte Stein, der Stein des Schützen lag auf unterster Position und Lil hob die Hand, während er sich völlig hinlegen musste um nicht von der Decke niede r gedrückt zu werden.
Lil, verdammt, Lil...“, zeterte Gerad.
Beide lagen nun flach auf dem Boden und Lils Hand berührte gerade den letzten Stein, als die Wand seine Hand berührte, dann drückte er in letzter Sekunde zu. Der Stein senkte sich scheinbar in Zeitlupe, in Anbetracht der brisanten Lage, in der sie sich b e fanden und seine Hand wurde von der Decke eingeklemmt, bevor er sie zurückziehen konnte.
Sein letzter Gedanke war die gescheiterte Hoffnung, dass seine Einschätzung ric h tig gewesen war, denn wenn sich nun das Rad der Zeit als geheimer Zugang erwe i sen würde und ein verstecktes Tor öffnen würde, hätten sie keine Möglichkeit, dorthin zu gela n gen, die Zeit war einfach zu knapp, der Raum zu eng um sich noch bewegen zu können und in wenigen Sekunden würde die absinkende Decke ihr Leben beenden. Vielleicht würden sie u n mittelbar vor ihrem Tod erfahren, ob Lil recht gehabt hatte. Sie würden ihren letzten Blick auf ein sich öffnendes Tor richten und Lil würde grinsen, denn dann hätte er recht gehabt, er hätte ein Jahrtausende altes Rätsel gelöst, doch schließlich würde er ste r ben, er und sein Freund waren dem T o de geweiht.
Das Jetzt entscheidet über Leben und Tod.
Hatte er diesen Satz richtig gedeutet? War es korrekt, die Reihe n folge dort zu beginnen, wo sie standen. Im Zeichen des Stei n bocks?
Mit einem Ruck senkte sich die Decke um ein weiteres Stück und quetschte Lils Hand schmerzhaft ein. Er schrie kurz auf und blickte gequält zu Gerad. Beide l a gen flach auf dem Boden und die Decke berührte bereits Lils Bauch. Seine Hand lag mit erh o benem Arm auf dem Stein des Schützen , war zwischen dem Rad der Zeit und der Decke eingeklemmt, das Blut seiner zerdrückten Hand lief an der Wand hinunter, doch Lil spürte keinen Schmerz. Sein Körper war durchsetzt von Adrenalin und er sah dem Tod entgegen. Die Erwa r tung des Todes verbannt jedweden Schmerz, sie übergibt uns and e ren Gedanken und fremden Gefühlen. Für Schmerz bleibt kein Platz in einem solch entscheidenden M o ment.
Einige Menschen behaupten, dass in solchen Augenblicken das L e ben vor dem eigenen Auge noch einmal Revue passiert, wie ein Film im Kino, vor dem inneren Auge abläuft, die wichtigsten Momente, die ärgsten Sünden,
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