Der Schlüssel zu Rebecca
immer noch nicht. Einen Moment später sagte er: »Sie wollten mir bei Ablieferung noch fünfzig Pfund zahlen.«
Wolff zählte die Scheine ab, die unter dem schmutzigen Gewand untergebracht wurden. Abdullah beugte sich vor, drückte sich das Baby mit dem einen Arm an die Brust, griff mit dem anderen unter sein Kissen und zog die Aktentasche hervor.
Das Schloß war aufgebrochen, wie Wolff sofort bemerkte. Er war ungehalten: Irgendwann mußte die Doppelzüngigkeit schließlich aufhören. Aber er zwang sich, ruhig zu sprechen. »Sie haben sie schon geöffnet.«
Abdullah zuckte die Achseln. »Maalish«, antwortete er. Es war ein vielfältig verwendbares Wort, das gleichzeitig »Verzeihung« und »Na und?« bedeutete.
Wolff seufzte. Er war zu lange in Europa gewesen und hatte vergessen, was zu Hause Brauch war.
Er öffnete die Tasche und fand ein Bündel von zehn oder zwölf Blättern, alle eng beschrieben mit englischer Schrift. Während er zu lesen begann, stellte jemand eine winzige Kaffeetasse neben ihn. Er blickte auf und sah ein schönes junges Mädchen vor sich. »Ihre Tochter?« fragte er Abdullah.
Abdullah lachte. »Meine Frau.«
Das Mädchen war etwa vierzehn Jahre alt. Wolff konzentrierte sich wieder auf die Papiere.
Er las das erste und blätterte, immer erstaunter, den Rest durch.
Dann ließ er die Papiere sinken. »Du lieber Gott«, sagte er leise und fing an zu lachen.
Er hatte die kompletten Speisepläne der Kaserne für den Monat Juni gestohlen.
*
Vandam erklärte Oberstleutnant Bogge: »Ich habe einen Vermerk herausgegeben, in dem Offiziere daran erinnert werden, daß Stabspapiere nur in Ausnahmefällen mit in die Stadt genommen werden dürfen.«
Bogge saß an seinem großen geschwungenen Tisch und polierte einen roten Cricketball mit seinem Taschentuch. »Gute Idee. Da bleiben die Leute auf Draht.«
»Eine meiner Informantinnen, das neue Mädchen, von dem ich Ihnen erzählt habe ...«
»Die Nutte.«
»Ja.« Vandam widerstand der Versuchung, Bogge aufzuklären, daß »Nutte« nicht das richtige Wort für Elene sei. »Sie hat ein Gerücht gehört, daß Abdullah für den Aufruhr verantwortlich sei ...«
»Wer ist das?«
»Ein ägyptischer Diebeskönig, und zufällig ist er auch einer meiner Informanten, aber das ist für ihn nur ein kleiner Nebenerwerb.«
»Zu welchem Zweck wurde der Aufruhr denn organisiert, diesem Gerücht zufolge?«
»Diebstahl.«
»Ach so.« Bogge wirkte skeptisch.
»Viele Dinge wurden gestohlen, aber wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß es den Dieben nur auf die Aktentasche ankam.«
»Eine Verschwörung!« sagte Bogge zweifelnd und belustigt. »Und wozu sollte dieser Abdullah hinter unseren Kantinenplänen her sein?« Er lachte.
»Er konnte nicht wissen, was die Aktentasche enthielt. Vielleicht hatte er einfach Geheimdokumente erwartet.«
»Ich wiederhole meine Frage«, meinte Bogge mit der Miene eines Vaters, der geduldig ein Kind belehrt. »Warum sollte er hinter Geheimdokumenten her sein?«
»Jemand könnte ihn dazu angestiftet haben.«
»Wer?«
»Alex Wolff.«
»Wer?«
»Der Messermörder von Assiut.«
»Also wirklich, Major, ich dachte, daß wir das nun endlich begraben hätten.«
Bogges Telefon klingelte, er nahm den Hörer ab. Vandam nutzte die Gelegenheit, sich ein wenig zu beruhigen. Wahrscheinlich war Bogges Problem, daß er sich nicht auf sein eigenes Urteilsvermögen verlassen konnte. Da ihm das Selbstbewußtsein fehlte, um echte Entscheidungen zu treffen, versuchte er, anderen immer eine Nasenlänge voraus zu sein und sich als Besserwisser aufzuspielen. So bewahrte er sich wenigstens die Illusion, clever zu sein. Natürlich hatte Bogge nicht die geringste Ahnung, ob der Diebstahl der Aktentasche bedeutsam war oder nicht. Er hätte Vandam zuhören und sich dann entscheiden können, doch davor hatte er Angst. Zu einer fruchtbaren Diskussion mit einem Untergebenen war er nicht fähig. Denn seine ganze intellektuelle Energie verwandte er darauf, einen Widerspruch ausfindig zu machen, Irrtümer zu entdecken oder fremde Ideen zu verhöhnen. Und wenn er sich auf diese Weise schließlich seine »Überlegenheit« bewiesen hatte, war die Entscheidung – mehr oder weniger zufällig – schon gefallen.
»Natürlich, Sir, ich werde mich sofort darum kümmern«, sagte Bogge. Vandam wunderte sich, daß er mit diesem Vorgesetzten schon so lange ausgekommen war. Der Oberstleutnant legte auf. »Also, wo waren wir?«
»Der Mörder von
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