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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ließ ihn älter wirken. Er brauchte so viel Autorität wie möglich, denn der Vorschlag, den er machen wollte, war, wie immer, etwas ausgefallen. Bei Versammlungen wie dieser gab er sich Mühe, so zu reden, als stünde die Handvoll Hitzköpfe, die zusammengekommen waren, wirklich kurz davor, die Briten aus Ägypten hinauszuwerfen.
    Er ließ seine Stimme absichtlich etwas tiefer klingen, während er begann: »Wir alle haben gehofft, daß Rommel die Briten in der Wüste besiegen und dadurch unser Land befreien würde.« Er schaute sich im Zimmer um, denn er wollte jedem den Eindruck vermitteln, daß Sadat zu ihm persönlich sprach. »Aber nun habenwir sehr schlechte Nachrichten bekommen. Hitler hat sich bereit erklärt, den Italienern Ägypten zu übergeben.«
    Sadat übertrieb: Dies war keine Nachricht, sondern ein Gerücht. Außerdem wußten die meisten Zuhörer, daß es ein Gerücht war. Doch melodramatisches Taktieren war an der Tagesordnung, und alle reagierten mit wütendem Gemurmel. Er fuhr fort: »Ich schlage vor, daß die Bewegung Freier Offiziere einen Vertrag mit Deutschland aushandelt, nach dem wir in Kairo einen Aufstand gegen die Briten organisieren, während die Deutschen uns Unabhängigkeit und Souveränität nach der britischen Niederlage garantieren.« Als er sprach, wurde ihm die Lächerlichkeit der Situation von neuem bewußt: Er, ein Bauernjunge, der gerade seinen Hof verlassen hatte, ließ sich vor einem halben Dutzend unzufriedener Subalternoffiziere über Verhandlungen mit dem Deutschen Reich aus. Aber wer sonst sollte das ägyptische Volk repräsentieren? Die Briten waren Eroberer, das Parlament war eine Marionette, und der König war Ausländer.
    Es gab noch einen weiteren Grund für den Vorschlag, einen, der hier nicht zur Sprache kommen würde und den sich Sadat selbst sogar kaum in der Nacht eingestehen mochte: Abdel Nasser war mit seiner Einheit in den Sudan abkommandiert worden, und seine Abwesenheit verschaffte ihm, Sadat, die Chance, sich selbst zum Führer der Rebellenbewegung zu machen.
    Er drängte den unwürdigen Gedanken zurück. Die anderen mußten zunächst seinem Vorschlag und dann der Methode zustimmen, wie man ihn durchführen könne.
    Kemel sprach als erster. »Aber werden die Deutschen uns ernst nehmen?« fragte er.
    Sadat nickte, als halte auch er dies für eine wichtige Überlegung. In Wirklichkeit hatte er diese Frage mit Kemel vorher vereinbart, denn sie sollte die Zuhörer aufeine falsche Fährte bringen. Das Problem war eigentlich, ob die Deutschen eine Vereinbarung mit einer Gruppe inoffizieller Rebellen einhalten würden. Aber Sadat wollte nicht, daß die Versammlung diesen Punkt diskutierte. Wahrscheinlich würden die Deutschen ihren Teil des Handels nicht einhalten. Falls die Ägypter nach einem Aufstand gegen die Briten aber von den Deutschen verraten würden, würden sie wohl einsehen, daß es für sie kein anderes Ziel gab als die Unabhängigkeit – und vielleicht würden sie sich den Mann zum Führer wählen, der den Aufstand organisiert hatte.
    Harte politische Realitäten wie diese eigneten sich nicht für solche Versammlungen; sie waren zu kompliziert und beruhten auf allzu kühlen Berechnungen. Kemel war der einzige, mit dem Sadat über Taktik sprechen konnte. Er arbeitete als Detektiv bei der Polizei von Kairo; er war ein ausgekochter, bedächtiger Mann. Vielleicht hatte die Polizeiarbeit ihn zynisch gemacht.
    Die anderen begannen, darüber zu palavern, ob der Plan Erfolg haben könne. Sadat beteiligte sich nicht an der Diskussion. Sollen sie doch reden, dachte er, das macht ihnen schließlich am meisten Spaß. Wenn es um Aktionen ging, enttäuschten sie ihn gewöhnlich. Während die anderen debattierten, erinnerte Sadat sich an die mißlungene Revolution des vergangenen Sommers. Sie hatte damit begonnen, daß der Scheich von el-Azhar predigte: »Wir haben nichts mit dem Krieg zu tun.« Dann hatte das ägyptische Parlament, in einem seltenen Anflug von Unabhängigkeit, seine Politik verkündet: »Rettet Ägypten vor der Geißel des Krieges.« Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die ägyptische Armee Seite an Seite mit den Briten in der Wüste gekämpft, doch nun befahlen die Briten den Ägyptern, ihre Waffen niederzulegen und sich zurückzuziehen. Die Ägypter wollten sich nur zu gern zurückziehen, aber es widerstrebte ihnen, sich entwaffnen zu lassen.
    Sadat erkannte eine gottgesandte Möglichkeit, Zwietracht zu säen. Er und viele andere junge Offiziere

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