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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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beiden?« fragte Abdullah.
    »Ja.«
    Abdullah war ein fetter Mann mit einem stählernen Zahn. Er war einer der reichsten Männer in Kairo, doch im Gegensatz zu den meisten wohlhabenden Arabern äffte er die Europäer nicht nach. Er trug Sandalen, ein schmutziges Gewand und einen Fes. Sein fettiges Haar kräuselte sich um seine Ohren, und seine Fingernägel waren schwarz. Er bezog seinen Reichtum nicht aus dem Boden wie die Paschas oder aus dem Handel wie die Griechen, sondern aus Verbrechen.
    Abdullah war ein Dieb.
    Wolff mochte ihn gern. Er war listig, betrügerisch, grausam, großzügig und lachte ständig. Wolff schien er die uralten Laster und Tugenden des Nahen Ostens zu verkörpern. Seine Armee von Kindern, Enkeln, Neffen, Nichten und Cousins brach in Kairo seit dreißig Jahren in Häuser ein und raubte Taschen aus. Abdullah hatte seine Fühler überall: Er besaß einen Haschisch-Großhandel, hatte Einfluß bei Politikern, und ihm gehörte die Hälfte der Häuser in der Birka, auch das von Madame Fahmy. Zusammen mit seinen vier Frauen wohnte er in einem großen verrottenden Haus in der Altstadt. Sie folgten den beiden Offizieren ins moderne Stadtzentrum. »Willst du eine Aktentasche oder beide?« erkundigte Abdullah sich.
    Wolff überlegte. Eine würde auf einen zufälligen Diebstahl deuten, zwei auf eine vorbedachte Aktion. »Eine«, sagte er. »Welche?«
    »Das ist egal.«
    Als er entdeckte, daß die Villa les Oliviers ihm keine Sicherheit mehr bot, hatte Wolff erwogen, Abdullah um Hilfe zu bitten. Doch er hatte sich dagegen entschieden. Abdullah hätte Wolff zwar auf unabsehbare Zeit verstecken können, wahrscheinlich in einem Bordell. Aber er hätte ihn mit Sicherheit an die Briten verraten. Abdullah teilte die Welt in zwei Bereiche: seine Familie und den Rest. Er war seiner Familie gegenüber vollkommen loyal und traute ihr uneingeschränkt, aber jeden anderen betrog er und erwartete ebenso, von anderen betrogen zu werden. Seine Geschäfte wurden auf der Basis gegenseitigen Mißtrauens abgewickelt. Wolff fand heraus, daß dieses System überraschend gut funktionierte.
    Sie erreichten eine belebte Kreuzung. Die beiden Offiziere wichen dem Verkehr aus und überquerten die Straße. Wolff wollte ihnen folgen, da legte Abdullah ihm seine Hand auf den Arm.
    »Hier werden wir’s machen.«
    Wolff blickte sich um, musterte die Gebäude, den Bürgersteig, die Kreuzung und die Straßenverkäufer. Er lächelte langsam und nickte. »Ideal.«
     
    *
     
    Es geschah am nächsten Tag.
    Abdullah hatte tatsächlich die ideale Stelle für den Diebstahl gewählt. Eine geschäftige Nebenstraße mündete hier in eine Hauptstraße ein. An der Ecke lag ein Café mit Tischen davor, die den Bürgersteig um die Hälfte schmaler machten. Vor dem Café, an der Hauptstraße, war eine Bushaltestelle. Auch nach sechzig Jahren britischer Herrschaft hatte sich die Regel, an der Haltestelle Schlange zu stehen, in Kairo nicht durchgesetzt. Man drängte sich einfach auf dem ohnehin überfülltenBürgersteig. In der Seitenstraße war es etwas geräumiger, obwohl das Café auch hier Tische stehen hatte, denn es gab keine Haltestelle. Abdullah hatte diesen kleinen Nachteil bemerkt und ihn ausgeglichen, indem er zwei Akrobaten anwies, dort ihre Kunststücke vorzuführen.
    Wolff saß am Ecktisch. Von dort konnte er die Haupt- und die Nebenstraße überschauen. Er machte sich Sorgen um alles, was schiefgehen könnte.
    Die Offiziere würden heute vielleicht nicht zur Kaserne zurückkehren.
    Sie könnten einen anderen Weg benutzen.
    Vielleicht würden sie ihre Aktentaschen nicht bei sich haben. Die Polizei könnte zu früh eintreffen und alle Beteiligten verhaften.
    Die Offiziere könnten den Jungen packen und ausfragen.
    Abdullah könnte auf die Idee kommen, daß das Geld leichter zu verdienen sei, wenn er einfach Major Vandam anrief und ihm mitteilte, Alex Wolff befinde sich heute um 12.00 Uhr mittags im Café Nasif.
    Wolff fürchtete sich vor dem Gefängnis. Er fürchtete sich nicht nur, der Gedanke flößte ihm Todesangst ein und ließ ihm trotz der Mittagssonne den kalten Schweiß ausbrechen. Er konnte ohne gutes Essen, Wein und Mädchen auskommen, wenn ihn die ungeheure, wilde Leere der Wüste tröstete. Und er konnte auf die Freiheit der Wüste verzichten und in einer überfüllten Stadt leben, wenn er über den Luxus der Zivilisation verfügte. Aber er war nicht in der Lage, beides aufzugeben. Es war sein geheimer Alptraum, von dem er nie

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