Der Schlüssel zu Rebecca
Wolff schritt zwischen den beiden überlebensgroßen Bronzedamen hindurch, die Lampen hochhielten, und erreichte den Salon. Die kleine Band spielte eine kaum einzuordnende Musik, während die Gäste, nun meist Europäer, unaufhörlich nach den Kellnern riefen. Wolff wich den Diwanen und Marmortischen aus und bahnte sich einen Weg zu der langen Bar am anderen Ende.
Hier war es ein wenig ruhiger. Frauen waren nicht zugelassen, und man trank mit voller Konzentration. Dies war der Ort, zu dem die einsamen Offiziere kamen.
Wolff setzte sich an die Bar. Er wollte schon Champagner bestellen, dann fiel ihm seine Verkleidung ein und er bat um Whisky und Wasser.
Er hatte seine Kleidung sorgfältig ausgewählt. Die braunen Schuhe entsprachen dem Offiziersmuster und waren auf Hochglanz poliert; die Khaki-Socken hatte er genau an der richtigen Stelle umgekrempelt; die weiten, braunen Shorts zeigten eine scharfe Bügelfalte; das Buschhemd mit den Sternen eines Captains trug er über den Shorts; die flache Mütze war nur ein wenig zur Seite geschoben.
Sein Akzent machte ihm etwas Kopfzerbrechen. Er hatte eine Erklärung parat, dieselbe Geschichte, die er Captain Newman in Assiut erzählt hatte, nämlich daß er im niederländisch sprechenden Südafrika aufgewachsen sei. Was aber, wenn der Offizier, den er sich aussuchte, Südafrikaner war? Wolff konnte englische Akzente nicht gut genug auseinanderhalten, um einen Südafrikaner zu erkennen.
Sein Mangel an militärischen Kenntnissen machte ihm noch mehr zu schaffen. Er suchte einen Offizier vom Großen Hauptquartier, deshalb würde er behaupten, selbstzu BTE – British Troops in Egypt – zu gehören, einer völlig anderen und unabhängigen Einheit. Leider wußte er kaum etwas darüber. Ihm war unklar, was BTE tat und wie es organisiert war, und er konnte nicht den Namen eines einzigen Offiziers nennen. Wolff stellte sich eine Unterhaltung vor:
»Wie geht’s dem alten Buffy Jenkins?«
»Dem alten Buffy? In meiner Abteilung habe ich nicht viel mit ihm zu tun.«
»Nicht viel mit ihm zu tun? Er leitet den Verein! Sprechen wir von demselben BTE?«
Und weiter:
»Und Simon Frobisher?«
»Oh, Simon geht’s so wie immer.«
»Einen Moment – jemand hat mir erzählt, er sei nach Hause zurückgekehrt. Ja, ich bin ganz sicher. Wieso wußten Sie das nicht?«
Dann die Anschuldigungen, der Anruf bei der Militärpolizei, der Kampf und schließlich das Gefängnis.
Das Gefängnis war das einzige, was Wolff wirklich Angst einjagte. Er verdrängte den Gedanken und bestellte noch einen Whisky.
Ein schwitzender Oberst kam herein und stellte sich neben Wolffs Hocker an die Bar. Er rief dem Barkellner zu: »Ezma!« Es bedeutete »Hör zu!«, aber alle Briten glaubten, es heiße »Kellner«. Der Oberst blickte Wolff an.
Wolff nickte höflich und sagte: »Sir.«
»Mütze ab in der Bar, Captain«, knurrte der Oberst. »Was fällt Ihnen bloß ein?«
Wolff nahm die Mütze ab und verfluchte seinen Fehler im stillen. Der Oberst bestellte sich ein Bier. Wolff schaute fort. In der Bar waren fünfzehn oder zwanzig Offiziere, doch er erkannte keinen von ihnen. Er hielt nach einem der acht Adjutanten Ausschau, die das Große Hauptquartier jeden Mittag mit ihren Aktentaschen verließen. Daer sich die Gesichter jedes einzelnen eingeprägt hatte, würde er sie sofort erkennen. Er hatte sich schon erfolglos im Metropolitan Hotel und im Turf Club umgesehen; nach einer halben Stunde in Shepheard’s Hotel würde er es im Offiziersclub, im Gezira Sporting Club und sogar in der Anglo-Ägyptischen Union versuchen. Wenn es heute nacht nicht gelang, würde er morgen einen neuen Versuch machen. Früher oder später mußte er einem von ihnen begegnen.
Dann würde alles von seinem Geschick abhängen.
Sein Plan war vielversprechend. Die Uniform ließ ihn zu einem der ihren werden, zu einem vertrauenswürdigen Kameraden. Wie die meisten Soldaten in einem fremden Land waren sie vermutlich einsam und ausgehungert nach Sex. Sonja war zweifellos eine sehr begehrenswerte Frau, und der durchschnittliche englische Offizier würde gegen die Lockungen einer orientalischen Verführerin kaum gefeit sein.
Und wenn er das Pech hatte, an einen Adjutanten zu geraten, der klug genug war, der Versuchung zu widerstehen, könnte er den Mann immer noch fallenlassen und sich einen anderen suchen.
Er hoffte, daß es nicht allzu lange dauern würde. Tatsächlich dauerte es nur noch fünf Minuten.
Der Major, der die Bar betrat, war
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