Der Schlüssel zu Rebecca
war ziemlich sicher, daß es in Kairo war, und er glaubte auch zu wissen, wer es benutzte. Er beschloß, Oberstleutnant Bogge seinen Fund zu zeigen, hob das Buch auf und stieg aus dem Lastwagen.
Bogge kam ihm entgegen.
Vandam starrte ihn an. Bogges Gesicht war weiß undwütend, fast hysterisch. Mit einem Blatt Papier in der Hand stapfte er durch den feinen Sand.
Was, zum Teufel, ist mit ihm los? dachte Vandam.
Bogge brüllte: »Was tun Sie eigentlich den ganzen Tag?«
Vandam antwortete nicht. Bogge reichte ihm das Blatt Papier. Es war ein chiffrierter Funkspruch, mit dem entschlüsselten Text zwischen den Zeilen. Die Nachricht war am 3. Juni um Mitternacht abgeschickt worden. Der Absender benutzte das Rufzeichen Sphinx. Nach den üblichen Einleitungen über die Signalstärke folgte die Überschrift UNTERNEHMEN ABERDEEN.
Vandam war wie vom Donner gerührt. Unternehmen Aberdeen hatte am 5. Juni stattgefunden, und die Deutschen hatten am 3. Juni eine Nachricht darüber erhalten.
»Allmächtiger Herrgott«, sagte Vandam, »das ist eine Katastrophe.«
»Natürlich ist’s eine verdammte Katastrophe!« schrie Bogge. »Es bedeutet, daß Rommel alle Einzelheiten über unsere Angriffe erfährt, bevor sie überhaupt beginnen!«
Vandam las den Rest der Mitteilung. »Alle Einzelheiten« traf zu. Die Nachricht nannte die betroffenen Brigaden, den Zeitpunkt der verschiedenen Angriffsstadien und beschrieb die Gesamtstrategie.
»Kein Wunder, daß Rommel gewinnt«, murmelte Vandam.
»Hören Sie auf mit Ihren verfluchten Witzen!« kreischte Bogge.
Jakes, begleitet von einem Oberst der australischen Brigade, die den Hügel erobert hatte, erschien an Vandams Seite und sagte: »Entschuldigen Sie, Sir ...«
»Nicht jetzt, Jakes«, unterbrach Vandam.
»Bleiben Sie hier, Jakes«, befahl Bogge. »Dies geht auch Sie an.«
Vandam gab das Blatt an Jakes weiter. Er fühlte sich, als habe ihm jemand einen körperlichen Schlag versetzt. Die Information war so gut, daß sie aus dem Großen Hauptquartier stammen mußte.
»Verdammte Scheiße«, flüsterte Jakes.
Bogge fragte: »Ihnen ist doch klar, daß sie dieses Zeug von einem englischen Offizier kriegen müssen?«
»Ja«, erwiderte Vandam.
»Was soll das heißen: Ja ? Personalsicherheit ist Ihre Aufgabe, Sie sind für diesen Mist verantwortlich!«
»Das sehe ich ein, Sir.«
»Sehen Sie auch ein, daß der Oberbefehlshaber von einer undichten Stelle dieser Größe erfahren muß?«
Der australische Oberst, der das Ausmaß der Katastrophe nicht einschätzen konnte, war peinlich berührt, weil ein Offizier in der Öffentlichkeit abgekanzelt wurde. Er sagte: »Wir wollen uns die Vorwürfe für später aufheben, Bogge. Ich bezweifle, daß nur ein einzelner schuld hat. Sie müssen zuerst den Umfang des Schadens feststellen und Ihren Vorgesetzten einen vorläufigen Bericht liefern.«
Bogge hatte offensichtlich noch weiter toben wollen, aber er stand dem anderen im Rang nach. Er unterdrückte seinen Zorn mit erkennbarer Mühe und knurrte: »Also gut, an die Arbeit, Vandam.« Dann stolzierte er davon, und der Oberst wandte sich in die entgegengesetzte Richtung.
Vandam ließ sich auf das Trittbrett des Lastwagens sinken. Er zündete sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an. Je länger er sie kannte, desto schlimmer erschien ihm die Nachricht. Alex Wolff war nicht nur nach Kairo vorgedrungen und Vandams Netz entgangen, sondern er hatte sogar Einblick in wichtigste Geheimnisse gewonnen.
Wer ist dieser Mann nur? dachte Vandam.
Im Laufe von ein paar Tagen hatte er sein Zielausgewählt, seine Vorbereitungen getroffen und die Zielperson dann zum Verrat erpreßt oder bestochen.
Wer war die Zielperson, wer ließ Wolff die Informationen zukommen? Buchstäblich Hunderte von Menschen kannten solche Geheimnisse: die Generäle, ihre Adjutanten, die Sekretärinnen, die schriftliche Nachrichten tippten, die Männer, die Funksprüche verschlüsselten, die Offiziere, die mündliche Botschaften überbrachten, alle Geheimdienstleute, alle Verbindungsoffiziere zwischen den Waffengattungen ...
Irgendwie mußte Wolff einen unter diesen Hunderten von Menschen gefunden haben, der bereit war, sein Land gegen Geld oder aus politischer Überzeugung oder unter dem Druck von Erpressung zu verraten. Natürlich bestand die Möglichkeit, daß Wolff nichts damit zu tun hatte, doch Vandam hielt es für unwahrscheinlich, denn ein Verräter benötigte eine Kommunikationsmöglichkeit mit dem Feind. Wolff hatte eine
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