Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
nette Stadt …«
Sie ignorierte seine Meinung über Düsseldorf. »Ich dachte, der Fall ist wasserdicht?« Ihr Puls beschleunigte sich.
»Gute Indizien, sehr gute. Wie gesagt, die Akten sind schon bei Gericht. Aber Ferter hat nicht gestanden, es gibt keinen forensischen Beweis, keine DNA , keinen Fingerabdruck, nichts, nach wie vor. Ich habe den Mann stundenlang vernommen, habe alle Register gezogen, aber er bleibt stur. Er hat eine schwere Störung, keine Frage, aber mein Gefühl sagt mir, dass da etwas nicht stimmt.«
Er wartete einen Moment, aber Fran hatte nichts dazu zu sagen. Für sie war es selbstverständlich, dass man auf seine Gefühle hören musste, dass man sie mit den Fakten abgleichen musste, um zum richtigen Ergebnis zu kommen.
»Ich habe die Dateien mit allen Verhören dabei.«
Fran holte tief Luft, ahnte, was Albi ihr vorschlagen würde. »Komm erst mal mit, ich bringe dich auf den neuesten Stand.«
Das ganze Team begrüßte Albi überschwänglich, seine Zweifel an der Schuld von Claudius Ferter heizten das Jagdfieber an. Inzwischen war es zweiundzwanzig Uhr, die Freiwilligen waren nach Hause gegangen. Günther orderte Pizza und kochte starken Kaffee, Martina fütterte den Computer mit den Videodaten der Vernehmungsprotokolle von Claudius Ferter, Fran löschte das Licht, dann ging die Show los.
Das Gesicht eines jungen Mannes tauchte auf, dessen Haut so blass und durchscheinend war wie helles Transparentpapier. Eine Hand reichte ihm ein Taschentuch. Er wischte sich Tränen aus den Augen, schnäuzte sich und legte das Taschentuch vor sich auf den festgeschraubten Metalltisch. Albi begann zu sprechen, er stellte die richtigen Fragen, schlug denrichtigen Ton an, Claudius Ferter beantwortete jede Frage, aber er leugnete immer wieder, dass er etwas mit dem Mord an der Prostituierten Anastasia Stanowski zu tun hatte. Nach der ersten Vernehmung, die nach knapp drei Stunden beendet war, legten sie eine Pause ein, um ihre Eindrücke auszutauschen.
»Ich glaube Ferter, dass er davon überzeugt ist, Anastasia Stanowski nicht ermordet zu haben. Und ich neige dazu, ihn nicht für den Täter zu halten. Aber er weiß etwas.« Günther wandte sich an Albi. »Du hast es geschickt angestellt, hast ihn dazu gebracht, Gewohnheiten zu zeigen.« Er kratzte sich am rechten Nasenflügel. »Das macht Ferter immer dann, wenn er überlegen muss, wenn er in seinen Erinnerungen wühlt.«
Albi machte große Augen.
»Ihr habt keinen Shrink dabeigehabt?«, fragte Günther.
»Shrink?«, fragte Albi.
»Shrink, ja, irgendeinen Psycho.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Zu teuer.«
Günther schnaubte. »Immer dasselbe«, sagte er und deutete auf die anderen. »Was meint ihr?«
»Er weiß etwas. Hundertpro!«, erwiderte Fran. »Vielleicht hat er den Mord beobachtet.«
»Und warum sagt er dann nichts? Er riskiert fünfzehn Jahre Gefängnis und danach ab in die Klapse. Wen will er schützen, warum?«, fragte Bruno.
»Das sind die richtigen Fragen«, sagte Günther. »Ich nehme an, ihr habt ihn durchleuchtet?«
»Mit zehntausend Kilowatt Lichtleistung«, bestätigte Albi.
Fran hob die Hand. »Ich habe die Akten gelesen. Ferter ist ein Satansjünger, der seine Messen zu Hause im Hobbykellergefeiert hat. Mit Tieren aus der Zoohandlung. Damit fängt es immer an.«
Die Mehrzahl der Serienmörder machte ihre ersten Tötungserfahrungen mit Tieren. Sie stellen fest, dass es Spaß macht und dass es ihnen nichts ausmacht, ein Lebewesen zu töten. Aber ihre Fantasien gehen weiter, entwickeln sich, bis der erste Mensch dran ist. Wann hatte dieses Phantom angefangen? Keine Datenbank hatte etwas ergeben. Es war zum Verrücktwerden.
»Wir haben alles auf den Kopf gestellt …« Albi klang verzweifelt. »Schließen wir Ferter als Täter einfach mal aus, das ist doch in eurem Sinne.«
»Gut«, sagte Fran. »Also: Wen will er schützen?«
»Eine Person, die er entweder liebt, verehrt oder der er hörig ist. Die üblichen Verdächtigen«, sagte Günther.
Albi nickte. »Das Problem ist nur, dass wir alle, zu denen Ferter vielleicht ein solches Verhältnis haben könnte – Vater, Mutter, Geschwister –, ebenfalls durchleuchtet haben – negativ. Freunde hat er keine, nur ein paar weitläufige Bekannte, die nicht infrage kommen. Ebenfalls Fehlanzeige.« Er kratzte sich am Kinn. »Ausermittelt!«
Ausermittelt. Ein schreckliches Wort, denn das hieß: Wir haben versagt.
Fran blickte in die Runde und sah nur müde Gesichter
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