Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Hass mit Säure ihr Gesicht zerstören, damit kein anderer Mann sie haben wollte; er konnte sie halb totprügeln; er konnte sie entführen. All das hatten Frauen schon erdulden müssen. Gegen einen hinterhältigen Angriff wäre sie machtlos. Er säße im Halbdunkel und lachte sich ins Fäustchen, weil sie dumme Pute wieder auf ihn hereingefallen war, weil sie ihn überfallen hatte.
Es war an der Zeit, ihn in die Offensive zu zwingen, ihm seine widerliche grinsende Maske vom Gesicht zu reißen. Und dafür gab es nur eine Möglichkeit: Sie musste sich selbst anzeigen.
12. Dienstag
Fran hatte Albi mit klopfendem Herzen abgeholt und am LKA abgesetzt. Er sollte mit dem Team eine Strategie entwickeln, während sie den Haftprüfungstermin wahrnehmen musste.
Sie würde Albi heute Abend zum Essen einladen und dann nach allen Regeln der Kunst verführen. Das war ihr in der Nacht klar geworden. Sie grinste. In dem Moment, als sie sich entschlossen hatte, sich selbst anzuzeigen, hatten sich in ihr Türen geöffnet, und der Entschluss hatte festgestanden. Es kribbelte im Bauch, sie hatte fast vergessen, wie sich das anfühlte.
Jetzt saß sie eingezwängt zwischen Rechtsanwalt Jung und Oberstaatsanwalt Hasso Kittner in dem engen Dienstzimmer von Richter Rowald, einem jungen Mann, vielleicht Mitte dreißig, der als gnadenloser Verfechter der Menschenrechte galt.
Der Richter blinzelte. »Das nennen Sie einen hinreichenden Tatverdacht, Herr Kittner? Ich muss schon bitten. Gerade haben Sie mir alle Beweise dafür vorgelegt, dass Marvin Mutoah der Mörder von Johanna Magold ist. Und jetzt erzählen Sie mir, dass Lars Rüttgen ein Serienkiller ist, dass er mit Mutoah gemeinsame Sache gemacht hat?«
Kittner holte Luft, aber Rowald hob die Hand.
»Ich bin noch lange nicht fertig. Es gibt keinen einzigen Beweis. Keinen Fingerabdruck, keine DNA -Spur, keine Faser, nichts. Die Alibis sind nicht beweisführend, da die Zeiträume der Tatbegehung viel zu groß sind. Ach ja. Mit dem Tod seines leiblichen Vaters hat er ebenfalls nachweislich nichts zu tun.Er war zur Tatzeit im Krankenhaus. Blinddarm. Und wenn ich die Vorgänge auf dem Burgplatz in Augenschein nehme, dann bekomme ich große Lust, von Amts wegen gegen Ihren ganzen Apparat ermitteln zu lassen. Das war unsäglich!«
Kittner ließ sich nicht beeindrucken. Er war ein alter Hase und wusste, dass Richter meistens große Reden führten.
Kittner zählte die Beschuldigungen auf: »Er hat einen Beamten schwer verletzt; er hat eine schwarze Messe zelebriert; er hat einem Hund die Gedärme bei lebendigem Leib herausgerissen; er hat eine Schulbescheinigung gefälscht. Seine Wohnung ist vollgestopft mit satanischem Propagandamaterial, er glaubt an die Wiederkehr Luzifers als Herrscher der Welt und will alles dafür tun; er hat Johanna Magold niedergeschlagen, weil sie ihm nicht sexuell zu Willen sein wollte …«
»Das ist falsch.« Jung erhob sich, stieß an Frans Stuhl, entschuldigte sich nicht und trat einen Schritt vor.
Richter Rowald ließ ihn gewähren, Kittner schnappte hörbar nach Luft.
»Es ist ungeheuerlich, wie der Staatsanwalt versucht, meinen Mandanten zu dämonisieren. Die Vernehmungen von Kim Schmitt und Jana Wolff haben eindeutig ergeben, dass Lars Rüttgen ausdrücklich die Anwendung von Gewalt gegen Menschen ausgeschlossen hat. Seine Praktiken richteten sich ausschließlich gegen Tiere und Sachen. Staatsanwalt Kittner will meinen Mandanten vorverurteilen, weil die Ermittlungsbehörden mit dem Rücken an der Wand stehen. Dass er Johanna Magold geschlagen hat, war eine singuläre Affekthandlung. Das räumt mein Mandant ein, und er bereut es zutiefst.« Er setzte sich wieder, achtete diesmal darauf, Frans Stuhl nicht zu berühren.
Fran wusste nicht, ob sie sich ekeln sollte oder ob sie Jung bewundern sollte. Sie entschied sich für bewundern, dennJung machte nichts anderes als seinen Job: Er verteidigte seinen Mandanten mit allen legalen Mitteln. Vielleicht brauchte sie demnächst auch so einen Anwalt.
Rowald funkelte Kittner an. »Für diese Taten wird Herr Rüttgen belangt werden, aber das zu erwartende Strafmaß rechtfertigt auf keinen Fall die Anordnung der Untersuchungshaft. Er wird auf keinen Fall mehr als ein oder zwei Jahre bekommen, so wie sich der Fall darstellt, und sehr wahrscheinlich auf Bewährung. Es besteht also weder Flucht- noch Verdunklungsgefahr. Und jetzt möchte ich wissen, was Franziska Miller dazu zu sagen hat.« Er nahm Fran ins Visier.
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