Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
Vom Netzwerk:
Hirn unrettbar zerstört. Was für ein schmaler Grat vom Leben zum Tod. Ich könnte ihn wiederbeleben. Ich muss mir eingestehen, dass das Gefühl, Herr zu sein über Leben und Tod, angenehm ist. So deutlich habe ich das noch nie empfunden. Wenn es einen Gott gäbe, wäre er so wie ich: ohne Mitgefühl. Aber es gibt keinen Gott. Es gibt nur die Physik. Ich entscheide. Friedel muss sterben.
    Ich ziehe mir die Maske vom Kopf und betrachte ihn. Sein sehniger Körper erregt mich. Nicht sexuell, ich bin ja nicht schwul. Nein, es ist die pure Ästhetik der Muskeln, die sich deutlich unter der Haut abzeichnen. Es ist das Gesicht, das tatsächlich den Eindruck macht, als sei er in Frieden entschlafen. Aber so sehen sie eben aus, wenn sie gerade gestorben sind. Alle Muskeln erschlaffen, auch die Gesichtsmuskeln. Friedel ist jetzt absolut entspannt, er spürt keinen Schmerz, keinenHunger, keinen Durst und keine quälenden Gedanken. Beneidenswert!
    Meine Gedanken quälen mich jeden Tag, und nur für wenige Momente lassen sie mich in Ruhe. Ich spüre ein Kribbeln, das meinen Rücken hinaufkriecht. Genug! Ich brauche eine neue Stimme, eine stabile Stimme. Ich spüre das Fieber, das mich jedes Mal ergreift, wenn ich auf die Jagd gehe, und das Kribbeln auf meinem Rücken lässt nach. Gewaltige Stimmen gibt es, die ich mir jederzeit nehmen könnte. Alles zu seiner Zeit, ermahne ich mich, schiebe die Ungeduld beiseite. Jetzt ist die Zeit, Friedel zu entsorgen. Der Gestank seiner Fäkalien, die er von sich gegeben hat, als auch sein Anus erschlaffte, und die jetzt in dem Metallbecken unter dem Tisch liegen, steigt mir in die Nase. Ich drehe den Hahn auf, das Wasser spült alles in eine Grube, die mit Chemie dafür sorgt, dass nichts mehr stinkt. Ich erinnere mich an meinen ersten Gast, mein Gott, war das eine Schweinerei.
    Ich werde Friedel begraben, aber nicht an einem Ort, also muss ich ihn in handliche Pakete zerlegen. Dazu streife ich einen Overall über, damit ich mir die Kleider nicht versaue.
    Ich setze den ersten Schnitt an den großen Blutgefäßen der Beine an. Die Schwerkraft treibt Blut heraus, der größte Teil bleibt allerdings im Körper, in den inneren Organen, den Muskeln und den feinen Blutgefäßen. Zuerst die Beine, dann die Arme, zuletzt der Kopf. Ich bin immer wieder erstaunt, wie schwer so ein Kopf ist. Zehn Minuten reichen mir, ich bin inzwischen versiert, das Skalpell weiß von selbst, wo es schneiden muss. Der Torso ist nach wie vor der gewichtigste Teil des Körpers. Aber ihn zu zerlegen ist zu viel Arbeit, und bei Friedel nicht nötig. Er wiegt höchstens fünfunddreißig Kilo, das schaffe ich locker.
    Friedel wird in meiner Nähe bleiben, ich hebe in einem Umkreis von einhundert Metern die Löcher aus, tief genug, damit Tiere nicht drankommen. Niemand stört mich, ich arbeite ruhig und konzentriert, und nach zweieinhalb Stunden ist Friedel Futter für die Würmer. Er hat es so gewollt. Anstatt Unsterblichkeit zu erlangen, wird er zu Kompost. Bei ihm hatte ich tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, ihn am Leben zu lassen. Ich wedele Laub und Gehölz über die Gräber, keine Spur ist mehr zu sehen.
    Ich gehe zurück in den Bunker. Bis alles wieder richtig sauber ist, brauche ich nochmals eine gute Stunde. Es ist Zeit, nach Hause zu fahren, aber vorher muss ich noch eine Idee umsetzen.
    Das Internet läuft über von Gewaltvideos, sogenannte Snuff-Videos, die reale Gewalt zeigen. Jugendliche, die einfach auf Leute einschlagen, sie töten oder schwer verletzen. Aber man hört nichts. Nur unterdrückte Laute. Was fehlt? Mein Beitrag. Natürlich filme ich meine Akteure, aber ich werde die Bilder nicht ins Internet stellen. Diese Bilder sind zu intim, nur ich darf sie mir anschauen. Ich setze mich an meinen Computer und stelle zehn der schönsten Schreie zusammen. Ich komprimiere sie zu einer im Internet gebräuchlichen MP 3-Datei und speichere sie auf meinem USB -Stick. Ich werde die kleine Sammlung in irgendeinem Internet-Café hochladen.
    Wen nehme ich als Nächstes? Wem biete ich die Unsterblichkeit an? Einem Kind!? Das wollte ich schon immer mal ausprobieren. Aber es muss älter als zehn Jahre alt sein. Ein Mädchen oder ein Junge? Zuerst ein Mädchen. Das gibt Töne im oberen Frequenzspektrum, heiße schrille Quietscher. Schade um Friedel, aber der Gedanke an ein unschuldiges Mädchen lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mein Plan sieht vor, dass Friedel der Letzte war, der ohne Spuren verschwinden

Weitere Kostenlose Bücher