Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
älter. Durch seine stark ausgeprägten Knochenwülste über den Augen sah er ein wenig aus wie ein Neandertaler. Kein Frauenschwarm, das stand fest. Aber für viele Frauen war das Äußere nicht so wichtig, wenn das Innere stimmte. Sie selbst hatte sich vom Äußeren täuschen lassen – und von den Fähigkeiten beim Sex.
Fran räusperte sich. »Entschuldigen Sie die indiskrete Frage …«
»Ja, ich habe mit ihm geschlafen«, stieß Jana Wolff hervor, »und es war richtig gut. Er ist nicht mein Traummann, und er stand nie auf der Liste der potenziellen Väter meiner Kinder, aber im Bett kann er Gedanken lesen.«
Das ist eine Eigenschaft, die nicht viele Männer besitzen, dachte Fran, ein Grund mehr, warum sich die junge attraktive und intelligente Jana Wolff mit Rüttgen und seiner Kirche eingelassen hatte. Johanna Magold war ebenfalls eine schöne Frau gewesen. Von Kim Schmitt hatte sie noch kein Bild gesehen.
»Frau Wolff«, Fran faltete die Hände und beugte sich zu JanaWolff hinüber, »wenn Lars Rüttgen unschuldig ist, finden wir das heraus.« Fran versuchte den Blick von Jana Wolff einzufangen. Es gelang ihr. Der Tod von Johanna Magold war ihr sehr nahegegangen, und es war klar, dass der Hass auf den Täter immens sein musste. »Wenn er allerdings nicht unschuldig ist«, setzte Fran nach, »dann sollte er für das, was er getan hat, zur Rechenschaft gezogen werden, meinen Sie nicht?«
Fran war sich nicht sicher, ob die Kopfbewegung, die Jana Wolff machte, Zustimmung bedeutete oder nicht.
Die junge Frau holte tief Luft und schluckte. »Wenn er es war, dann soll er zur Hölle fahren.«
Sie sagte den Satz sehr leise, sehr überzeugt. Und diesmal meinte sie mit »Hölle« ewiges Leiden und nicht ein Stelldichein und ewige Party mit Luzifer.
»Wir sprachen von seinen Fehlern.« Jana Wolffs Stimme gewann an Festigkeit. »Er ist sehr dominant, sagt, wo es langgeht. Das ist einerseits angenehm, aber andererseits duldet er keinen Widerspruch. Nicht, dass er irgendwann laut geworden wäre, nein, er diskutierte so lange mit uns, bis wir es selber einsahen.« Sie blickte auf den Boden. »Nur auf unseren kleinen Ausflügen wurde nicht geredet. Da gab es nur eins: Er befahl, wir folgten. Und dann konnte er schon ganz schön heftig werden.«
»Wie heftig?«
Jana Wolff schien über ihre eigenen Worte zu erschrecken. »Er hat uns nie angefasst! Hätte er das gewagt, ich wäre sofort ausgetreten und hätte ihn angezeigt.«
»Was meinten Sie dann mit ›heftig‹?«
»Manchmal wurde er laut oder schimpfte, wenn wir was falsch machten, was er uns schon gezeigt hatte.«
Fran wechselte das Thema, sie wollte den günstigen Moment nutzen, denn Jana Wolff war in der Stimmung zu beichten. »Wie steht es mit Drogen?«
Jana Wolffs Kopf ruckte hoch.
»Sie haben nichts zu befürchten«, sagte Senior. »Es sei denn, Sie haben kiloweise Ecstasy verkauft. Egal, was Sie geschluckt haben, es ist strafrechtlich nicht relevant.«
Weihrauch nickte seiner Mandantin zu.
»Von Zeit zu Zeit hat er uns Trips gegeben, die ganz anders waren, als ich es kannte.«
Sie hielt inne, wurde sich wohl bewusst, dass sie sich gerade als erfahrene Drogenkonsumentin geoutet hatte. Als niemand etwas sagte, fuhr sie sichtlich erleichtert fort. »Bei normalen Trips bleibe ich immer wach. Wenn ich seine genommen habe, bin ich immer eingeschlafen. Mal länger, mal kürzer. Zuletzt war ich fast eine Stunde weg. So richtig weg. Mit Träumen und Halluzinationen. Und danach habe ich mich seltsam gefühlt. So, als ob ich schlafgewandelt wäre.« Ihre Miene hellte sich auf. »Jetzt wo ich darüber nachdenke: Es war unheimlich. Als sei jemand in mein Innerstes vorgedrungen.«
»Wer war mit dabei?«, fragte Fran.
»Ich, Kim, Marvin und Lars. Wie immer. Unsere ganze klitzekleine Kirche. Außer Johanna natürlich.« Ein scheues Lächeln huschte über ihr Gesicht, dann verdunkelte sich ihre Miene wieder. »Warum sollte er …« Sie schaute Fran in die Augen.
»Keine Ahnung«, erwiderte Fran. »Deswegen ist es ja so wichtig, dass Sie uns alles erzählen, was Sie wissen. Sie kennen das sicherlich: Jede Kleinigkeit kann bedeutsam sein.«
Mit beiden Händen rieb sich Jana Wolff die Augen. »Und Sie wollen Lars wirklich nicht in die Pfanne hauen?«
»Wirklich nicht«, antworteten Senior und Fran im Chor.
»Davon bin ich ebenfalls überzeugt«, sagte Weihrauch.
Fran war sich sicher, dass er das sagte, weil Jana seine Mandantin war. Wäre Lars Rüttgen
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