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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
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wartete nicht auf eine Aufforderung.
    »Sehen Sie«, sagte sie, »meine Eltern sind vollständige Gefühlskrüppel. Mich wollten sie auch dazu machen, aber ich bin entkommen.« Sie zeigte auf die vielen alten und die wenigen frischen Narben an ihrem Arm. »Seit ich Lars kenne, muss ich mich nur noch selten ritzen. Ich kann es kontrollieren, verstehen Sie? Andere trinken oder rauchen, ich ritze. Und ich habe hervorragende Noten.«
    Fran ging nicht näher darauf ein, da musste eine Therapeutin ran. »Es war Ihr Blut, das Sie mit dem des Tieres gemischt haben?«
    Sie lächelte. »Ja, das war es. Und es war gut.« Ihre Mundwinkel senkten sich. »Aber ich werde so etwas nicht wieder über einem Grab tun. Ich werde so etwas überhaupt nicht mehr tun. Das schwöre ich.«
    »Sie wollen Ihr Studium zu Ende bringen, nicht wahr?« Seniors Stimme hatte diesen weichen samtenen Klang, den nur eine Vaterstimme haben konnte.
    Jana Wolff sprang sofort darauf an. »Auf jeden Fall. Ich meine, das war eine Dummheit, und überhaupt   … Ich werde die Church of XXXL verlassen. Das ist mir alles zu viel.« In ihren Augen standen Tränen.
    »Haben Sie auf einer der Messen einem Hund die Därme bei lebendigem Leib herausgerissen?«
    Jana Wolff lief rot an. »Wir haben es danach nie wieder getan. Ich schäme mich dafür. Wir alle haben uns geschämt. Wirhaben zusammengelegt und dreihundert Euro an den Tierschutzverein gespendet. Es tut mir leid   …«
    Der Spendenbeleg war in Rüttgens Akten aufgetaucht, er hatte ihn aufgehoben und mit einem Zitat versehen: »Reue ist Verstand, der zu spät kommt.« Es stammte von dem Arzt und Philosophen Ernst von Feuchtersleben. Rüttgen hatte in der Tat einen weiten Horizont, und dennoch war seine Seele krank.
    Die Tür ging, Weihrauch kam wieder herein. »Herr und Frau Wolff sind nach Hause gefahren.«
    Mehr sagte er nicht, und das war auch nicht nötig. Fran überlegte, ob sie nicht besser Günther hinzuzöge, aber sie verwarf es. Sie würde ihm die Bänder zeigen, falls es notwendig wurde, dass er sich ein Bild von Jana Wolff machte.
    »Wir können«, sagte Weihrauch.
    »Frau Wolff hat uns schon sehr geholfen. Sie ist äußerst kooperativ«, sagte Senior.
    »Welche Rolle hat Lars Rüttgen gespielt?«, fragte Fran.
    Jana Wolff knabberte an ihrem Daumen. »Er ist unser Hohepriester, er kennt die Bibel, den Koran, er kennt die Schriften von LaVey, er kennt alles.« Sie lachte kurz. »Es ist unglaublich.« Sie blickte von Fran zu Senior. »Auswendig. Er kann das alles auswendig. Ich beneide ihn. Ein Jurastudium wäre für ihn ein Klacks. Er will ja Mathematik studieren, auch nicht schlecht. Jura würde er nicht aushalten.«
    »Warum studieren Sie Jura?«, fragte Fran.
    »Weil ich das System verändern will. Und das geht nur, wenn ich in den Apparat eintauche und ihn von innen verändere. Oder wenn Luzifer kommt.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber das glaube ich nicht wirklich.«
    »Nein? Warum nicht?« Fran faszinierte diese junge Frau, die hochintelligent war und ihre Krankheit auf eine ganz besondere Art im Griff hatte: weil sie in einer Glaubensgemeinschaft lebte, die sie nicht als krank, sondern als auserwählt betrachtete. Ein schmaler Grat. Wie würde sie weitermachen, jetzt, da ihre Kirche zerstört war? War sie bereits stark genug, die Welt, die sie so furchtbar quälte, auf sich gestellt zu ertragen?
    »Luzifer ist ebenso wenig wie der Gott der Christen eine materielle Erscheinung. Er ist Prinzip und entsteht nur durch den Glauben an ihn. Es sind die Prinzipien, die mir gefallen, der Gegenentwurf zu den Religionen des Buches, die letztlich alle lebensfeindlich sind und vor allem frauenfeindlich, bis heute.«
    Jana Wolff kannte sich aus, keine Frage. Christen, Juden und Moslems gingen auf dieselben Wurzeln zurück, Altes Testament, Teile des Neuen Testaments, mit dem kleinen Unterschied, dass sie sich nicht einig darüber waren, wer der letzte Bote Gottes gewesen war. Christen waren davon überzeugt, dass es Jesus Christus, der Sohn Gottes, sei. Die Moslems leugneten nicht die Existenz Christi, aber sie hielten ihn nur für einen Propheten, nicht für den Sohn Gottes. Mohammed war sozusagen der aktuellste Botschafter Gottes, mehr als sechshundert Jahre nach Christus geboren, und deshalb galt sein Wort. Für die Juden war Jesus Christus nichts als ein Mensch, ein Prediger, denn nach ihrem Glauben konnte kein Mensch Gott sein. Die Christen warfen ihnen vor, Christus getötet zu haben. Ein

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