Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
du bringst nur Mädchen fertig, und deswegen verabscheust du mich.« Ihre Worte sprühten vor Hass.
Gibt es denn nur schlechte Väter auf dieser Welt? Das kann doch nicht sein! Fran dachte an Senior. Der war eine Ausnahme, zumindest waren seine Töchter gut geraten, sie lebten ihr Leben, waren, soweit Fran es beurteilen konnte, glücklich.
»Lars hat mir die Augen geöffnet. Nicht ich bin krank! Ihr seid es! Schert euch doch zum Teufel.« Sie stützte sich mit den Handflächen auf dem Tisch ab. »Nein, das tut ihr besser nicht, denn Luzifer hat das nicht verdient. Verpisst euch in den Himmel, dann soll sich Gott mit euch engstirnigen Egoisten rumschlagen.«
Fran hielt sich die Hand vor den Mund, räusperte sich, versteckte ihr Grinsen. Seine Eltern Gott an den Hals zu wünschen wie ein eitriges Geschwür, das war eine amüsante Vorstellung.
Jana Wolffs Mutter brach in Tränen aus, ihr Vater schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft. Es war an der Zeit, die beiden rauszubringen. Weihrauch hatte ein gutes Gespür für die Situation, er kam Fran zuvor, nahm Janas Mutter am Arm, zog sie auf den Flur, ihr Mann folgte wie ein Zombie.
Jana Wolff blickte ihnen hinterher, hob die Hand, machte eine Faust und ließ Zeigefinger und kleinen Finger aufschnappen wie ein Klappmesser, sodass sie wie zwei Hörner aussahen – das Zeichen für Luzifer. Dann drehte sie sich zu Fran, lächelte und ließ sich graziös auf ihrem Stuhl nieder.
Eine typische Verhaltensweise. Extreme Gemütsschwankungen, manchmal, so wie jetzt, innerhalb kürzester Zeit, manchmal in langen Intervallen von Monaten. Unberechenbar und schwer zu behandeln. Selbst die Experten waren sich uneinig über Ursachen und Therapien.
Fran beschloss, eine Pause zu machen.
*
Ich schrecke hoch. Was ist das? Ein schabendes Geräusch. Oben schlurft jemand über den Boden. Ich kann es genau hören. Ist er schon wieder zurück? Ich dachte, er ist weg. Mein Herz rast. Wenn er merkt, was ich gemacht habe, dann bringt er mich um. Er hat es mir verboten, immer wieder. Als er mich das letzte Mal erwischt hat, hat er mich zwei Tage in den Keller gesperrt. Samstag und Sonntag. Nur Wasser und hartes Brot hat er mir gegeben. Und das Licht hat er ausgemacht.
Es hat nur einen Augenblick gedauert, dann sind sie gekommen. Aus allen Ecken. Keinen Ton haben sie von sich gegeben. Nur angeschaut haben sie mich. Mit ihren großen runden Telleraugen. Die Lippen haben sie sich geleckt und mitTentakeln auf mich gezeigt. Ich habe in die Hose gemacht, sie haben mich nur ausgelacht. Ich habe geweint, und sie haben noch mehr gelacht. Dann habe ich gemerkt, dass sie mir nichts tun, dass sie einfach nur mit ihren Tentakeln auf mich zeigen und sich totlachen, wenn ich mich bepinkele. Dann sind sie plötzlich verschwunden. Aber ich weiß, dass sie da sind, dass sie jetzt beleidigt sind, dass sie nur darauf warten, mich zu erschrecken.
Da! Ein Rascheln. Sie rascheln eigentlich nie, sie haben sich also etwas Neues ausgedacht, aber das kann ich auch. Ich stopfe mir die Ohren zu. Dann setze ich mich auf den Boden. Ich weiß, dass der Boden aus festgestampftem Lehm gemacht ist. Ich kralle meine Nägel in den Boden, ein Stück löst sich. Ich forme ihn mit den Händen zu einer Kugel. Ich lege die Kugel neben mein rechtes Bein. Dann die nächste Kugel. Immer mehr werden es, wie schön es ist, die Kugeln zu sammeln. Kleine, große, manche haben eine Delle, andere ein Loch, ich kann es fühlen, ich habe sie erschaffen. Es beruhigt mich, und die dunklen Wesen sind überrascht. Sie rascheln nicht mehr. Ich glaube, sie finden meine Sammlung schön.
Plötzlich blendet mich Licht. Ich kann nichts sehen, aber ich höre meine Mutter. Sie schreit, sie schimpft, sie kommt die Kellertreppe hinunter, hinter ihr mein Vater, er brüllt, dass ich nichts anderes verdient habe, dass er mir austreiben muss, Tiere zu verstümmeln, dass ich nach wie vor ein verdammter Bastard bin, den man eigentlich totschlagen müsste. Ich muss schon wieder pissen, meine Mutter fängt an zu heulen, mein Vater steht hinter ihr, holt aus.
Ich schrecke hoch, ich bin nass von Kopf bis Fuß, es ist Schweiß, das Fieber kocht mich, ich habe Durst, falle aus dem Bett, krabbele auf allen vieren ins Bad, ziehe mich am Waschbecken hoch, trinke aus dem Hahn, kaltes Wasser rinnt meineKehle hinunter, ich schleppe mich zurück, schlucke eine Schlaftablette, falle ins Bett, versinke im Schlaf.
*
Fran schaltete die Geräte ein, Jana Wolff
Weitere Kostenlose Bücher