Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
sein Mandant gewesen, er hätteganz anders reagiert. Aber es lag im Interesse seiner Mandantin, und damit in seinem, dass sie auspackte. Nur so konnte er sie vor Strafverfolgung schützen.
Jana Wolff kaute auf ihrer Unterlippe. »Da war was. Aber das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Frau Wolff, bitte. Es ist wichtig.« Frans Puls schlug immer noch gleichmäßig, sie war vollkommen ruhig, auch wenn die Aussicht darauf, dass ihre Tätertheorie vollkommen daneben war, sie nicht fröhlich stimmte. Rüttgen hatte dunkle Geheimnisse, und sie standen kurz davor, eines zu lüften.
»Johanna war noch Jungfrau. Und sie hat sich geweigert, mit Lars das große Ritual zu vollziehen. Letztes Jahr, in der Johannisnacht. Kim und ich haben es gemacht, das war klar, und wie gesagt, es war echt geil. Aber Johanna hat sich geweigert.« Bevor Fran fragen konnte, wedelte sie verneinend mit dem Zeigefinger. »Nein, er hat sie nicht gezwungen, im Gegenteil. Er hat immer gesagt, dass er so lange warten würde, bis die Zeit reif sei.«
Was immer das bedeutete. Ein mögliches Motiv zeichnete sich ab. Die Zeit war für Lars Rüttgen reif gewesen, aber Johanna Magold hatte sich geweigert: Streit, eine Hand rutscht aus, sie stürzt, Lars Rüttgen rastet aus, erdrosselt sie. Aber warum die Verstümmelung? Bis jetzt hatten die Dämme gehalten, die Medien hatten nichts darüber berichtet. Niemand wusste von den Verletzungen, niemand wusste von Helena Meier. Hatte sie auch etwas mit der Church of XXXL zu tun gehabt, und niemand ahnte es? War sie Anwärterin gewesen? Sie tauchte nicht in Rüttgens Unterlagen auf. Wusste Böhrerjan etwas, das er nicht in der Öffentlichkeit sehen wollte?
»Er hat niemals Druck ausgeübt?« Senior vermochte seine Zweifel nicht zu verbergen.
»So ist es«, antwortete Jana Wolff. »Er hat immer gesagt,wer die Church verlassen wolle, könne das jederzeit und ohne Konsequenzen tun. Alles andere hätte seinem Glauben widersprochen.«
Jana ließ den Kopf hängen. Wahrscheinlich drang die Trauer über den Tod ihrer Freundin wieder in ihr Bewusstsein.
»Da ist noch was«, sagte sie, ohne den Kopf zu heben. »Das hat ihn rasend gemacht.«
»Was hat ihn rasend gemacht, Frau Wolff?«, fragte Fran.
Es sah so aus, als käme Geheimnis Nummer zwei ans Tageslicht.
»Ärger mit der Schule. Sie haben ihn vom Gymnasium geworfen, weil er einer Lehrerin die Leviten gelesen hat, weil sie seine Mutter eine Hure genannt hat.« Sie zog eine Grimasse. »Na ja. Er hat sie am Kragen gepackt und fast aus den Schuhen gehoben.«
Eine wichtige Information. Lars Rüttgen war also gewaltbereit, wenn seine Emotionen überkochten. Und der Ausbruch richtete sich gegen den Hals der Lehrerin. Vom Würgen zum Drosseln war es nur ein kleiner Schritt. »Welches Gymnasium?«
»Das Justus-Liebig.«
»Wie heißt diese Lehrerin?«, fragte Fran freundlich.
»Selm-Böden. Reli.«
»Lars Rüttgen, der Hohepriester der Church of XXXL , war im Religionsunterricht?«, fragte Senior belustigt.
Jana Wolff zuckte mit den Achseln. »Er hat immer gesagt, man muss seine Feinde gut kennen. Außerdem hat er immer eine Eins gehabt. Er kannte sich aus, wie gesagt. Die Selm-Böden muss an ihm verzweifelt sein. Sie können sich vorstellen, dass ihr mehr als einmal die Argumente ausgegangen sind.« Sie lächelte, obwohl ihr immer noch Tränen über die Wangen liefen.
Fran hatte den Eindruck, dass Jana Wolff noch etwas erzählen wollte. »Und wie hat er darauf reagiert?«
Das Lächeln verschwand. »Er hat beschlossen, einen Vernichtungszauber über die Schule im Allgemeinen und die Selm-Böden im Besonderen zu verhängen.«
»Eine ernste Angelegenheit«, sagte Fran.
»Ja und nein.« Jana Wolff hob den Kopf. »Wissen Sie, ich glaube ja nicht wirklich an den Hokuspokus, wie gesagt. Es ist halt gegen das System, es ist aufregend, spannend und konspirativ. Und Lars hat mich gelehrt, mich so zu nehmen, wie ich bin. Ich habe der Church einiges zu verdanken, aber ich bin darüber hinausgewachsen. Und meine Eltern gehen mir am Arsch vorbei!«
Sie war laut geworden, und Fran wusste, dass Eltern niemandem jemals am Arsch vorbeigingen.
Jana Wolff senkte ihre Stimme. »Aber so ein Zauber richtet nichts aus. Vernichtungszauber – so ein Unsinn!«
»Denken alle so, Lars Rüttgen natürlich ausgenommen?«, fragte Senior.
»Nein.« Sie atmete heftig aus. »Marvin ist felsenfest überzeugt von alledem. Und wenn etwas nicht eintrifft, dann schiebt er es der
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