Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Streifenwagen stand offen, sie stürzte sich hinein, grüßte kurz, der Fahrer gab Gas. Mit Blaulicht, ohne Sirene donnerten sie Richtung Innenstadt. Fran lehnte sich zurück. Das hatte sie während ihrer Zeit als Streifenmieze genossen: mit einhundertsechzig über den Südring. Sie schloss die Augen.
Wenn Marvin Mutoah die Schule wirklich angezündet hatte, dann steckte sicherlich Lars Rüttgen dahinter, auch wenn sie noch nicht genau wusste, wie. Von wegen fauler Vernichtungszauber. Diese Brandstiftung war ganz real.
Wieder kam ihr der Gedanke, dass doch Lars Rüttgen der Mann war, den sie suchten, der seine Opfer folterte und verstümmelte. Hatte er seine Dämonen nicht mehr im Griff? Und was hatte Friedrich von Solderwein damit zu tun? Wann hatte Lars Rüttgen erfahren, wer sein leiblicher Vater war? Wusste er von den satanischen Experimenten, die sein Vater gemacht hatte? War er in die Fußstapfen seines Vaters getreten? War die Church of XXXL nur Tarnung?
Es war möglich, dass Marvin Mutoah bei den anderen Morden assistiert hatte und dass der Mord an Johanna Magold allein auf seine Kappe ging, deshalb die falsche Handschrift. Und Marvin Mutoah konnte durchaus der Mann vom See sein, der ihr zugewunken hatte, seine Statur passte und auch sein Talent wegzulaufen. Allerdings war Marvin Mutoah nicht intelligent. Das passte nicht: Er war ein Verlierer; er verfügte nicht über dieInfrastruktur, Menschen zu verstecken, sie mit professionellen Mitteln zu betäuben und über Stunden mit Elektroschocks zu foltern und ihnen mit chirurgischer Präzision Glieder abzuschneiden. Das musste Rüttgens Part sein, wenn sie denn richtiglag. Aber auch er hatte nicht die Mittel dazu. Zumindest offiziell. Vielleicht hatte ihm Friedrich von Solderwein ein Vermögen hinterlassen, gut getarnt, nur Bargeld, so wie er Ägidius Bonaventura und sich selbst den Lebensabend gesichert hatte? Vielleicht hatte Rüttgen irgendwo einen Keller angemietet, in einer Gegend, wo es niemanden interessierte, was der Nachbar tat? Rüttgen stand außerhalb jeglicher sozialer Kontrolle. Er konnte ohne Probleme ein Zweitleben führen.
Ein paar Minuten und ein paar rote Ampeln später sprang Fran aus ihren »Taxi«, bedankte sich bei den Kollegen für die ruhige Fahrt und eilte in die Notaufnahme.
Sie zückte ihren Dienstausweis und fragte nach Lars Rüttgen. Eine übernächtigte Krankenschwester führte sie zu dem Zimmer, in dem Lars Rüttgen lag. Die zwei Polizeibeamten, die vor dem Zimmer Wache standen, waren aufmerksam wie zwei Kettenhunde. Sie prüften Frans Ausweis gründlich, dann gaben sie den Eingang frei.
Sie öffnete leise die Tür, trat in den Raum hinein und lauschte einen Moment. Sie hörte das Atmen eines Menschen, gleichmäßig und ruhig. Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, aber dann konnte sie die Umrisse von Lars Rüttgen in dem Krankenbett gut erkennen. Er war gefesselt, kein Wunder nach seinem Ausraster. Wenn sie etwas auf der Polizeischule gelernt hatte, dann war es die absolute Notwendigkeit der Eigensicherung. Ein Mann vom Kaliber Lars Rüttgens konnte, wenn er vollkommen durchdrehte und die Hände freihatte, ohne Probleme ein Dutzend Männer beschäftigen.
Sie war erstaunt, dass Lars Rüttgen schlief, als läge er zu Hause in seinem Bett. Sie hätte kein Auge zumachen können, wenn wenige Stunden vorher ihre Mutter gestorben wäre.
Hitze stieg in ihr auf. Und wenn es so wäre? Wenn ihre Mutter jetzt sterben würde? Sie waren im Streit auseinandergegangen. Sie musste unbedingt mit ihr reden, sich entschuldigen, dass sie ihr den Geburtstag verdorben hatte. Gleich morgen würde sie anrufen und sich mit ihr treffen.
Sie konzentrierte sich wieder auf Lars Rüttgen. Entweder hatte er ein reines Gewissen, oder er verfügte über besondere mentale Fähigkeiten. Oder er war vollkommen in seiner Welt gefangen, in der es nur eins gab: Luzifer war der Heilsbringer, und Lars Rüttgen war sein Wegbereiter, sein Statthalter auf der Erde. Oder sie hatten ihn sediert, was ohne richterlichen Beschluss nicht so ohne Weiteres möglich war.
Ein Lichtstrahl zeigte ihr an, dass die Tür geöffnet wurde.
Senior trat ein, schloss die Tür und zeigte auf Lars Rüttgen. »Wir sollten ihn wecken.« Er bemühte sich nicht, leise zu sprechen.
Fran deutete mit dem Daumen auf die Tür. Sie verließen das Krankenzimmer, Fran erklärte Senior ihre Bedenken.
»Wir sollen ihn zum Schlossturm bringen. Klare
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