Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
werde, das ich nicht begangen habe. Reicht das?«
»Wir mussten Sie fesseln, weil Sie versucht haben, sich der Festnahme zu entziehen. Sie haben einen meiner Kollegen verletzt. Deswegen schätzen wir Sie als gefährlich ein«, sagte Fran.
Lars Rüttgen verzog die Lippen. »Das ist mir alles vollkommen egal. Ich glaube Ihnen kein Wort.«
Er schloss seine Augen, und Fran war klar, dass sie eingreifen musste, bevor sich Lars Rüttgen vollkommen in sich selbst zurückzog. »Sehen Sie es mal so, Herr Rüttgen. Wenn wir Sie belügen, können Sie das ganz leicht nachprüfen. Wenn wir nicht lügen und Marvin springt, weil Sie ihn nicht davon abgehalten haben, dann sind Sie für seinen Tod verantwortlich.«
Lars Rüttgens Miene versteinerte. »Sie sind eiskalt und clever.«
»So ist es, Herr Rüttgen. Ich bin so eiskalt, dass ich Sie tatsächlich belügen würde, nur damit Sie versuchen, Marvin das Leben zu retten. Und das ist keine Lüge. Sie wissen genauso gut wie ich, warum er das getan hat.«
Lars Rüttgen riss an seinen Fesseln.
Fran war ein hohes Risiko eingegangen, indem sie ihn provoziert hatte, aber es wirkte. Dieser Mann war ein Pulverfass, mit einer kurzen Lunte, die funkensprühend brannte. Sie durften Marvin Mutoah auf keinen Fall seinem Einfluss aussetzen. Ihre Gedanken fügten sich ineinander, der Plan, Marvin Mutoah zu retten, schien umsetzbar. Zuerst mussten sie Zeit gewinnen. Sie mussten Rüttgen zum Turm bringen, damit Marvin Mutoah vorerst nicht sprang.
»Sie können sich in Ihrem Selbstmitleid suhlen, Sie können aber auch Verantwortungsgefühl beweisen und mit uns kommen. Oder haben Sie etwas zu verbergen? Wünschen Sie sich, dass er springt? Dass er schweigt?«
Lars Rüttgen drehte seinen Kopf in Frans Richtung und öffnete die Augen. »Sie wissen nichts. Gar nichts. Sie sind wie die Schafe, die zur Schlachtbank geführt werden. Ich komme mit, aber nur wenn Sie mir die Fesseln abnehmen.«
Senior lachte kurz auf. »Sehen Sie, Herr Rüttgen, ich bin noch kälter als meine Kollegin hier. Bevor ich Sie von der Leine lassen würde, würde ich in Kauf nehmen, dass dieser Marvin Mutoah seine Entscheidungen selbst trifft. Denn wenn er springt, dann war das seine eigene Entscheidung. So oder so. Glauben Sie mir, ich werde keinerlei Schuldgefühle haben. Die Schuldgefühle werden nur Sie haben.«
Lars Rüttgen starrte Senior an, dann umspielte ein feines Lächeln seine Lippen, das Fran nicht deuten konnte.
»Worauf warten wir?«, sagte Lars Rüttgen und rasselte leise mit seiner Kette.
Fran rief die Polizeibeamten. Inzwischen war Verstärkung eingetroffen, zu viert eskortierten sie Lars Rüttgen zum Einsatzfahrzeug. Die Hände wurden ihm vor dem Bauch an einem Hüftgurt fixiert, die Fußfesseln erinnerten ihn mit jedem Schritt daran, dass eine Flucht unmöglich war.
Mit Blaulicht und Sirene hetzten sie zum Burgplatz, auf dem mehrere Streifenwagen und Krankenwagen standen. Die Feuerwehr war ebenfalls vor Ort, sie hatten bereits zwei Sprungpolster aufgebaut.
Das würde für Frans Plan ausreichen.
Eine ansehnliche Menge an Schaulustigen hatte sich versammelt, darunter viele Betrunkene, denen das Drama eine willkommene Abwechslung war. Im Vorbeigehen hörte Fran, wie die Leute wetteten:
»Er springt!«
»Er springt und ist tot.«
»Er springt und überlebt mit Querschnittslähmung.«
Angewidert ging sie weiter.
Sie brachten Lars Rüttgen zu Hasso Kittner, und Fran stellte mit Entsetzen fest, dass Böhrerjan neben ihm stand und sie eifrig miteinander diskutierten. Böhrerjan musterte Lars Rüttgen von oben bis unten, als wolle er sich ein Körperteil aussuchen, das er ihm zuerst abschneiden würde. Fran drängte sich zu Kittner durch, griff ihn vorsichtig am Arm. Er blitzte sie an, sie stellte sich vor, er nickte.
»Herr Kittner, ich befürchte, dass Rüttgen und Mutoah gemeinsame Sache gemacht haben und dass Rüttgen die Gelegenheit nutzen könnte, einen unliebsamen Zeugen auszuschalten, indem er ihn dazu bringt zu springen.«
Kittner legte die Stirn in Falten. »Er wird auf jeden Fall springen, wenn wir nichts tun. Wir müssen das Risiko eingehen. Die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig.«
»Nein, es gibt eine andere Möglichkeit.« Fran atmete kurz durch, schöpfte Atem. »Ein Betäubungsschuss. Es gibt in Düsseldorf einen Scharfschützen, der dafür ausgebildet ist. Ein Schuss hochdosiertes Sedativum, und Mutoah sackt entweder auf dem Dach zusammen, oder er fällt dort, wo wir ihn haben
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